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Wappen Fürst PutbusJagdschloss Granitz — Rügen

Das Jagdschloss thront auf der höchsten Erhebung der Granitz, dem 107 Meter hohem Tempelberg, umgeben von Buchenwald. Ein repräsentativer Prunkbau mit Aussichtsturm.

Rügen Jagdschloss Granitz
Rügen, Juni 2013
Jagdschloss Granitz
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Es ist ein empfehlenswertes Ziel etwa 3 Kilometer von Binz entfernt. Anreise zu Fuß, mit dem Rad, dem Jagdschlossexpress oder mit dem Rasenden Roland (Station etwa 800 Meter entfernt).

Das Schloss

Geschichte

Seit 1472 gehörte die Granitz den Herren zu Putbus. Graf Moritz Ulrich I. ließ 1726 auf einer Waldlichtung das zweigeschossige Jagdhaus „Solitüde“ mit zwei freistehenden Pavillons errichten. Auf dem nahe gelegenen Tempelberg entstand 1730 ein zweistöckiges Belvedere in Fachwerkbauweise. 1810 wurde es abgerissen, um an seiner Stelle einen neuen Aussichtsturm in Form eines mittelalterlichen Bergfrieds zu errichten. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht realisiert. Stattdessen wurde zunächst 1814 das Jagdhaus im neogotischen Stil modernisiert.

Rügen Jagdschloss Granitz 1860
Rügen, Jagdschloss Granitz um 1860
Sammlung Alexander Duncker
Quelle: Wikipedia

Fürst Wilhelm Malte I. zu Putbus (1783-1854) ließ von 1837 bis 1846 auf dem Tempelberg der Granitz ein Jagdschloss errichten. Erste Entwürfe, wohl nach klaren Vorgaben des Fürsten gefertigt, stammen von Carl August Menzel (1794-1853) und Theodor Bamberg. Beide entwarfen um 1834 ein zweigeschossiges Gebäude mit elf Fensterachsen, flankiert von schlanken Türmen. Der Eingang wird turmartig durch einen dreigeschossigen Mittelrisalit betont und vermittelt einen „altritterlichen” Charakter. Allerdings fanden die Entwürfe nicht die Zustimmung des Fürsten.
Indirekt war auch der Kronprinz und spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861), der freundschaftlich mit Malte verbunden war, an der Planung beteiligt. Auf einer um wahrscheinlich 1830 entstandenen Bleistiftskizze findet sich ein quadratischer Grundriß mit vier Ecktürmen und einem kräftigen Mittelturm. Der Fürst entschied sich für die auf der Skizze beruhenden Pläne des obersten Baubeamten Preußens, Johann Gottfried Steinmeyer (1780–1854), im Stil der norditalienischen Renaissancekastelle - allerdings noch ohne Mittelturm. Abweichend von den Plänen Steinmeyers ersetzte der Oberlandesbaudirektor Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) - er errichtete etwa auch den Schinkelturm auf Kap Arcona - den vorgesehenen Lichthof in der Mitte des Schlosses durch einen 38 Meter hohen Turm. Damit ergab sich eine 145 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Aussichtsplattform, von der man ein grandioses Panorama - an guten Tagen bis Usedom und zum Festland - genießen kann.

Rügen Jagdschloss Granitz Panorama
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Panoramablick vom Mittelturm
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Vorbild für die Kombination der Bauidee eines beherrschenden Mittelturms mit vier identisch dekorierten Ecktürmen waren die spätmittelalterlichen Einturmburgen.
Ab 1844 empfing Fürst Malte Gäste auf dem Jagdschloss: König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, König Christian VIII. von Dänemark, Otto von Bismarck oder Johann Jacob Grümbke (1771-1849, Erforscher der Geschichte und Landeskunde Rügens).

„Gestern fuhren wir aufs herrliche Jagdschloß in der Granitz, wo wir Café tranken. Dann auf den hohen Thurm, wo wir uns der einzigen Aussicht freuten und lange verweilten. Ich bin mehr wie je für die Schönheit von Rügen empfänglich.” König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen an seine Frau Elisabeth
Rügen Jagdschloss Granitz Gästebuch
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Gästebuch 1846-1944, Reproduktion
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Das Schloss entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt und Ausflugsziel. Der fürstlichen Familie diente es vorwiegend repräsentativen Zwecken während der alljährlichen Jagd. Nach dem Brand 1865 in Schloss Putbus war es bis 1874 dauerhafter Wohnsitz der Familie.

Rügen Jagdschloss Granitz außen
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Während des Ersten Weltkriegs blieb das Schloss wegen Spionagegefahr geschlossen. Ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde es zum Flüchtlingsquartier. In der Nachkriegszeit ging der größte Teil der Inneneinrichtung verloren, wurde geplündert oder von der Roten Armee mit unbekanntem Ziel ausgelagert.
Im April 1945 wurde die Fürstenfamilie im Zuge der Bodenreform enteignet. Anfang der 1960er-Jahre begann die museale Nutzung, das Schloss wurde zu einem Heimatmuseum ausgebaut. Mit dem Ausbau des Ostseebades Binz stiegen die Besucherzahlen von 100.000 (1968) auf 300.000 (1993). In den 1970er-Jahren wurde das Schloss unter Denkmalschutz gestellt. Zwischen 1982 und 1989 wurden Fassadenerneuerungen und Instandsetzungsarbeiten im Inneren durchgeführt, allerdings wegen der prekären wirtschaftlichen Situation nicht durchgehend. In den 1990er-Jahren wurden die Renovierungsarbeiten fortgesetzt und weitgehend abgeschlossen, so daß heute alle repräsentativen Räume zugänglich sind.
Im Schloss finden Konzerte und wechselnde Ausstellungen statt.

Mittelturm

Der von Karl Friedrich Schinkel entworfene Mittelturm ist der Hauptanziehungspunkt des Schlosses. Seit 1845 führt die Wendeltreppe mit 154 Stufen zur Aussichtsplattform des Jagdschlosses. Die selbsttragende Treppe, deren filigran durchbrochene Stufen sich an der Innenwand des Turms emporschwingen, stammt aus der Berliner Maschinenbauanstalt von Franz Anton Egells und gilt als wichtiges Zeugnis der preußischen Eisengussindustrie.

Rügen Jagdschloss Granitz Wendeltreppe
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Wendeltreppe im Mittelturm
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die Handläufe aus Eiche werden von Balustern getragen, die mit dem Wappen des Fürsten verziert sind. Die optische Leichtigkeit erhält die Treppe durch ihre mit Blüten- und Rankenwerk durchbrochenen Tritt- und Setzstufen. Sie sind nach einem Baukastensystem zusammengesetzt.

Rügen Jagdschloss Granitz Wendeltreppe Stufen
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Wendeltreppe im Mittelturm, Stufen
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die filigran gestalteten Elemente in den Stufen sind durchsichtig, was beim Abstieg eventuell Höhenangst hevorrufen kann.

Innenräume

Die breite Granittreppe zum Eingangsportal des Jagdschlosses Granitz werden von Molosserhunden bewacht. Die Rasse stammt von den Molosser, einem griechischen Volksstamm in Epirus, das sie als Haus- und Wachhunde züchtete. Auch im Kampf gegen die Römer kamen sie, durch Lederwesten und Rüstungen geschützt, zum Einsatz. Die Medici stellten im Mittelalter Skulpturen von Molosserhunden anstelle von Löwen als symbolischen Schutz auf. So stehen etwa im Vestibül der Uffizien in Florenz zwei Skulpturen dieser Hunde.

Rügen Jagdschloss Granitz Molosserhund Rügen Jagdschloss Granitz Molosserhund
Skulpturen der Molosserhunde vor dem Eingang
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Fürst Wilhelm Malte I. sah diese Florentinischen Wolfshunde auf seiner Italienreise und bestellte in Berlin bei der Königlich Preußischen Eisengießerei zwei Abgüsse für sein Jagdschloss.
Allerdings gingen die Originalskulpturen nach 1954 verloren. Die jetzigen Skulpturen wurde dank verschiedener Spender 2001 neu in Bronze gegossen und aufgestellt.

Rügen Jagdschloss Granitz Jagdtrophäen
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Jagdtrophäen im Foyer
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die Dauerausstellung im Inneren zeigt die Anlage als Gesamtkunstwerk und rückt die Architektur, die historische Möblierung in den Salons, die Jagdtrophäen und Wandbehänge in den Mittelpunkt. Durch die Verluste in den Nachkriegsjahren sind es allerdings kaum originale Stücke. Die illusionistisch bemalten Wände im Foyer täuschen Naturstein vor. Die Hirschköpfe aus Zinkguss kennzeichnen das Schloss als Jagdschloss.

Rügen Jagdschloss Granitz Jagdtrophäen
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
Jagdtrophäen
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die Repräsentationsräume und Salons befinden sich im Obergeschoss, der Beletage. Sie sind unter Mitwirkung des Berliner Architekten Friedrich August Stüler (1800-1865) - der auch am Bau des Kursalons, der späteren Schlosskirche Putbus, beteiligt war - ausgestattet worden: der Empfangssaal, der festliche Marmorsaal, der elegante Speisesaal, Damensalon und Billardzimmer sowie der Rote Salon.

Rügen Jagdschloss Granitz Speisesaal
Rügen, Jagdschloss Granitz
Speisesaal
Foto © SSGK M-V/Timm Allrich

Schlosspark

Das Jagdschloss liegt mitten in den Buchenwäldern der Granitz und verfügt über keinen eigenen Schlosspark. Um 1730 wurde eine barocke Terrassenanlage angelegt.

Rügen Jagdschloss Granitz Terrasse
Rügen, Jagdschloss Granitz, Juni 2013
barocke Terrassenanlage
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Literatur

Jagdschloss Granitz, PF 1101, 18609 Ostseebad Binz; tägl. 10-18 Uhr (Mai-September, sonst kürzer)
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