Sizilien: Piazza Armerina-Villa Romana del Casale

Die Lage der etwa fünf Kilometer von Piazza Armerina entfernten Villa Romana del Casale ist ungewöhnlich: eingeklemmt und fast versteckt in einem engen Tal, außer nach Süden hin von Hügeln eingeschlossen, liegt sie am Fuße des Monte Mangone.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale

Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Große Villenanlagen abseits der Hektik der Städte erfreuten sich in den Kreisen der römischen Oberschicht einer großen Beliebtheit. Waren solche Landsitze zunächst noch mit einem landwirtschaftlichen Gutsbetrieb verbunden, so wurden sie in der Kaiserzeit nicht selten zu rein privaten Land- und Sommerresidenzen, zu Stätten der gehobenen Wohn- und Freizeitkultur wohlhabender Römer. Die spätantike Villa Romana del Casale bei Piazza Armerina ist der bekannteste Komplex dieser Art auf Sizilien.
Im Vergleich zu anderen römischen Villen ist die Lage dieses Anwesens ungewöhnlich. Denn die meisten Landvillen liegen an den Abhängen von Hügeln und Bergen und ignorieren alle topographischen Widrigkeiten. Sie sind gezielt auf eine Fernsicht in die umgebende Landschaft hin ausgerichtet und visualisieren durch die Substruktionen ein Kernphänomen der römischen Zivilisation, nämlich die bedingungslose Herrschaft der Kultur über die Natur.

Villa Romana del Casale

Charakteristisch hingegen für die römische Architektur ist der unübersichtliche, labyrinthartige Grundriss der Villa, die auf den ersten Blick chaotische Agglomeration von Räumen und Gebäudetrakten. Um einen großen, rechteckigen Peristylhof herum liegen asymmetrisch angeordnet und nicht durch Fluchtpunkte miteinander verbunden die Thermen und Latrinen, die von zwei Aquädukten versorgt wurden, die Wohnräume, Repräsentationstrakte und weitere Versorgungsbauten. Im Norden des Peristylhofes erstrecken sich die Privatgemächer, im Osten jenseits des langen Korridors die Repräsentationsräume mit dem großen Apsidensaal, dem Empfangsraum des Hausherrn, als Zentrum. Im Westen, gegenüber dem Eingang, lagen die Thermen und Latrinen; südlich des großes Hofes schließt sich ein weiteres, kleineres Peristyl an. Die Unübersichtlichkeit der Anordnung einzelner Komplexe wird beim Durchschreiten der Villa noch dadurch gesteigert, daß fast alle Teilbereiche über unterschiedliche Bodenniveaus verfügen und durch Treppen miteinander in Verbindung stehen. Viele römische Landvillen, allen voran die Villa des Kaisers Hadrian in Tivoli bei Rom, wiesen eine ganz ähnliche Struktur auf.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, Palästra, Wagenrennen im Circus Maximus
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die Villa Casale entstand zwischen 300 und 400 n.Chr. Über ihren Bauherren gibt es nur Vermutungen. Eine neuere Hypothese nennt Lucius Aradius Valerius Proculus Populonius, von 327 bis 331 Gouverneur Siziliens und 340 Konsul.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, großes Peristyl mit Wasserbecken
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die Villa wurde von den Vandalen oder Goten ausgeraubt, von Byzantinern, Arabern und Normannen jedoch wieder genutzt. Wohl im 12. Jahrhundert wurde sie von Wilhelm I. zerstört, später begruben große Überschwemmungen den Komplex im Schlamm. Im 19. Jahrhundert fanden sporadische Grabungen statt, erste systematische Ausgrabungen erfolgten erst 1929 und 1935-39. 1950 begannen die Archäologen mit der Freilegung der gesamten Villa, seit 1997 ist sie UNESCO-Welterbe.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, Fußbodenmosaike
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Von der Architektur der Villa Casale ist nicht mehr allzu viel vorhanden, dafür gibt es in den rund 50 Räumen auf 3.500 m² meisterhafte, aus insegsamt 120 Millionen Würfelchen bestehenden Fußbodenmosaike.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, Fußbodenmosaike
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, Fußbodenmosaike
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die Mosaike behandeln eine Fülle von Themen aus dem täglichen und höfischen Leben, aus der Mythologie und der Jagd und der römischen Tierhatz. Die Künstler kamen wohl dem dem römischen Nordafrika und schufen einen der größten und schönsten musivischen Komplexe der römischen Antike. Man durchwandert die Anlage auf Laufstegen, die die Betrachtun g der Fußbodenbilder von oben ermöglichen.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, Fußbodenmosaike
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, Fußbodenmosaike
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Seitlich des großen Peristyls befinden sich zwei Gasträume. Einer von ihnen erhielt im 6. oder 7. Jahrhundert eine musivische Dekoration mit Ball spielenden Mädchen und Ehrung der Siegerin. Die aufgrund ihrer leichten Bekleidung als Bikini-Mädchen bezeichneten Sportlerinnen bilden das wohl bekannteste Mosaik der Villa Romana del Casale. Tatsächlich tragen die Frauen Unterwäsche, wie es zur spätrömischen Zeit bei der Gymnastik üblich war.

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, „Bikini-Mädchen”
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
Piazza Armerina, Villa Romana del Casale
Piazza Armerina, Mai 2014
Villa Romana del Casale, „Bikini-Mädchen”
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

 

Piazza Armerina, Villa Romana del Casale, tägl. 9-19/18 Uhr, Eintritt und Parkplatz gebührenpflichtig, Internet

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