Die Kirche Orsanmichele (auch: Or San Michele, der Name leitet sich von „San Michele in Orto” ab) zwischen der Piazza della Repubblica und der Piazza della Signoria war ursprünglich Gotteshaus und Kornspeicher zugleich. Deshalb wirkt sie auch von außen nicht wie ein Sakralbau. Bis 1367 wurde hier der Kornmarkt abgehalten.
Das 1337-1350 errichtete Bauwerk steht an der Stelle einer Michaelskirche mit angeschlossenem Nonnenkloster aus dem 8. Jahrhundert. 1240 wurde die Kirche abgerissen und ein Getreidemarkt eingerichtet, wobei eine offene Markthalle die Händler vor Regen und Sonne schützen sollte. Zur Erinnerung an die Kirche wurden an zwei Pfeilern Bildnisse des heiligen Michael und der Madonna angebracht. Bald drängten sich Gläubige um das Bild der Madonna der Gnade. Eine Bruderschaft widmete sich der Verehrung des Gnadenbildes.
Als die Halle 1336 abbrannte, wurden vier Architekten mit dem Neubau beauftragt: Francesco und Simone Talenti, Neri di Fioravante und Benci di Cione.
„Eine Kirche in Form eines Palastes sollte errichtet werden, in der man die ruhmreiche Maria besser verherrlichen und das Korn und das Mehl besser aufbewahren könne” — so die Urkunde.
1380 wurde das Untergeschoss zum Oratorium, während die oberen Geschosse bis ins 16. Jahrhundert weiterhin als Getreidespeicher für Notzeiten dienten. Beachtenswert ist die feine Gliederung der Außenmauern, die Ornamente, Bögen, Nischen, Figuren Gesimse und die Marmorfüllung der Fensteröffnungen.
Sehenswertes
Nischenfiguren der Fassade
Die 14 Nischenfiguren zählen zu den bedeutendsten Zeugnissen der Renaissanceskulptur und der abendländischen Bildhauerei. Im späten 14. Jahrhundert wurde das Gebäude Zentrum der Zünfte. Den wichtigsten Florentiner Zünften und der Parte Guelfa wurde je eine Nische zur Verfügung gestellt. Dafür mußten sie ihrem Schutzheiligen eine Statue errichten.
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Skulptur Johannes der Täufer von Lorenzo Ghiberti
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Skulptur Christus und der ungläubige Thomas von Andrea del Verrocchio
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
Die Nischenfiguren im Uhrzeigersinn, ausgehend vom Eingang in der Via dei Calzaiuoli
- Lorenzo Ghiberti: Johannes der Täufer, Bronzestatue der Frührenaissance (1414), Nische der Zunft der Tuchhändler und Großkaufleute
- Andrea del Verrocchio: Christus und der ungläubige Thomas, Bronzegruppe der Hochrenaissance (1466-83), Nische des Handelsgerichtes
- Giovanni da Bologna: Hl. Lukas (1597-1603), Nische der Zunft der Richter und Notare
- Donatello (zugeschrieben): Hl. Petrus (um 1415), Nische der Zunft der Schlachter
- Nanni di Banco: Hl. Philippus, Gewandfigur (um 1412-16), Nische der Zunft der Gerber
- Nanni di Banco: die vier gekrönten Heiligen, Gruppe von vier unter Diokletian gemarterten Bildhauer (nach 1408), Nische der Zunft der Steinmetze und Zimmerleute
- Donatello: Hl. Georg (1417, Kopie, Original im Bargello), Nische der Zunft der Waffenschmiede
- Lorenzo Ghiberti: Hl. Matthäus, Bronzefigur (um 1419-23), Nische der Zunft der Geldwechsler
- Lorenzo Ghiberti: Hl. Stephanus (1425-29), Nische der Zunft der Wolltuchhändler
- Nanni di Banco: Hl. Eligius (um 1415), Nische der Zunft der Hufschmiede
- Donatello: Hl. Markus (1411-1413), Nische deer Zunft der Leinweber und Altwarenhändler
- Niccolò di Piero Lamberti: Hl. Jakobus (1410-25), Nische der Zunft der Kürschner und Pelzhändler
- Giovanni di Piero Tedesco (zugeschrieben): Madonna della Rosa, älteste Skulptur im Stil der Gotik (um 1399), Nische der Zunft der Ärzte und Apotheker
- Baccio da Montelupo: Johannes der Evangelist (1515), Nische der Zunft der Seidenweber und Goldschmiede
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Wappen-Medaillon der Kaufmannschaft von Luca della Robbia an der Fassade
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
Beachtenswert an der Fassade sind auch die Wappen-Medaillons in glasierter Terracotta.
Innenraum
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Deckenfresko
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
Die zweischiffige Halle beeindruck im Inneren durch Fresken, Gemälde und die Glasfenster. An den Nordpfeilern kann man noch die Öffnungen der Schächte sehen, durch die das Getreide in Säcke gefüllt wurde.
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Altar der Heiligen Anna von Francesco da Sangallo
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
Im linken Seitenschiff befindet sich der Altar der Heiligen Anna. Francesco da Sangallo schuf hier 1526 die Marmorgruppe „Heilige Anna, Madonna und Kind”.
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Marmortabernakel von Andrea Orcagna, Gnadenbild der Madonna von Bernardo Daddi
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
Am Ende des rechten Seitenschiffs befindet sich der berühmte gotische Marmortabernakel (1349-1359) von Andrea Orcagna, dessen reiche Dekoration das Gnadenbild der Madonna, „Madonna delle Grazie” von Bernardo Daddi verherrlicht. Das Tabernakel wird von Engeln und Propheten, Sibyllen, Aposteln und allegorischen Figuren der Tugenden geschmückt. Die Sockelzone zeigt Szenen aus dem Leben der Heiligen Maria.
Orsanmichele, Via del Calzaiuoli, tägl. 10-17 Uhr (Aug Mo geschlossen)Palazzo dell' Arte della Lana
Über einen Brückengang ist die Kirche Orsanmichele mit dem Palazzo dell' Arte della Lana (Museo di Orsanmichele) verbunden.
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- Florenz, Orsanmichele, Mai 2018
Palazzo dell' Arte della Lana
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler
Dieser aus drei Häusern bestehende Palast aus dem späten 13. Jahrhundert wurde 1308 von der reichen Zunft der Wolltuchhändler (Arte della Lana) erworben. Heute befindet sich hier das Museo di Orsanmichele, in dem man die Originale der Nischenfiguren sehen kann.