Der Weg nach Elba
Nach dem Desaster des Russlandfeldzuges 1812 und der endgültige Niederlage der Franzosen im Oktober 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig gegen die Truppen der Allianz (Russland, Preußen, Österreich und Schweden sowie kleinere Fürstentümer, unterstützt vom Vereinigten Königreich) zogen sich die Truppen Frankreichs und seiner Verbündeten aus Deutschland zurück.
Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen auf dem Kongress von Châtillon nahmen die Alliierten Ende März 1814 Paris ein. Am 2. April 1814 sprach der Senat die Absetzung des Kaisers aus. Von seinen Getreuen verlassen verzichtete Napoleon am 6. April auf den Thron. Im Vertrag von Fontainebleau vom 11. April wurden die Einzelheiten der Abdankung festgelegt.

Gemälde von Hippolyte Delaroche 1845
Quelle: Wikipedia (PD)
- Napoleon verzichtete für sich und seine Erben auf den französischen und den italienischen Thron, er und seine Frau behielten aber den Titel Kaiser/Kaiserin;
- Seine Frau, Kaiserin Marie-Louise, erhielt die italienischen Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla mit voller Souveränität;
- Napoleons Sohn Napoleon Franz Joseph Karl Bonaparte, König von Rom und später Herzog von Reichstadt, wurde der Erbe seiner Mutter und erhielt den Titel eines Prinzen von Parma;
- Napoleons Mutter und seine Geschwister erhielten zusammen eine von Frankreich zu zahlende Rente von 250.000 Francs.
Schwieriger zu lösen war die Frage: Wohin mit Napoleon? Zunächst stand außer Frage, daß Napoleon weder in Frankreich noch in Italien seinen zukünftigen Aufenthalt nehmen könnte. Der Zar setzte sich dafür ein, ihm ein „établissement convenable et indépendent” zuzuweisen. Er dachte zunächst an ein Asyl in Russland oder in Österreich. England plädierte, mit Unterstützung Österreichs, für einen Ort möglichst weit von Europa entfernt, etwa in den Kolonien. Auch St. Helena wurde schon erwähnt. Aber Bedenken bezüglich des Klimas erforderten eine andere Lösung. Napoleons Gesundheit und die Strapazen der letzten Jahre machten ein angenehmes Klima zur unabdingbaren Voraussetzung. So blieb eigentlich nur Italien, und Zar Alexander, ein Bewunderer Napoleons, brachte die Insel Elba ins Spiel.
Der britische Bevollmächtigte Castlereagh (Robert Stewart, 2. Marquess of Londonderry, 1769-1822) und Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773-1859) als Vertreter Österreichs hatten gegen die Zuweisung von Elba Bedenken, da die Insel einfach zu nahe gelegen war. Und Kaiser Franz I. wollte die Zugehörigkeit Elbas zum Großherzogtum Toskana sicherstellen.
Elba gehörte seit 1736 zum Königreich Neapel-Sizilien und war erst 1797 in den Besitz von Großherzog Ferdinand von Toskana aus dem Hause Habsburg gekommen. Im Mai 1801 wurde es von Frankreich annektiert. Somit war der Anspruch der Zugehörigkeit Elbas zum Großherzogtum Toskana nicht selbstverständlich.
Aber Zar Alexander beharrte auf diesem Exil - mit all den bekannten Folgen.
Leben auf Elba
Wenn auch in reduziertem Maßstab richtete Napoleon seinen gewohnten kaiserlichen Lebensstil ein. Eine Dienerschaft von 60-70 Personen, vier Kammerherren, Empfänge, Bälle, Konzerte, Schauspiele, Jagden. In seiner Hauptresidenz, der Villa dei Mulini, gab es eine Bibliothek, ein Theater und einen Garten zu Promenieren.

Elba, Portoferraio, Juni 2015
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
Sein Geburtstag, der 15. August, wurde mit einem feierlichen Hochamt im Dom sowie einem üppigen Bankett unter großer Anteilnahme der Bevölkerung begangen.
Zu seiner Sicherheit umgab er sich mit einer kleinen Armee von 2000 Mann - was ihn drei Viertel seines beschränkten Budgets kostete. Später mußte er die Truppe wegen Geldknappheit auf 500 Mann reduzieren. Die Soldaten wurden auch im Straßenbau, Lastentransport oder im Weinberg und bei Gartenarbeiten eingesetzt. Den Soldaten der Garde wurde auf Wunsch eine Parzelle Land zugewiesen.
Um sein kleines Reich wirtschaftlich und zivilisatorisch zu heben ließ er Oliven-, Orangen- und Maulbeerbäume anpflanzen, Straßen und Hafenanlagen ausbauen. Er förderte Handel und Erzabbau - ein wichtiger Wirtschaftszweig in der elbanischen Geschichte. Aus Korsika ließ er Esskastanien- und Eichensetzlinge importieren. Die Wälder wurden aufgeforstet, der Wildbestand erholte sich.
Napoleon ließ sich über alles berichten und entschied oft selbst über kleinste Details. Arbeitsteilung lag ihm nicht, von seiner Allmacht wollte er keinen Zipfel preisgeben. Auf seine Ausgaben schaute er sehr genau und suchte stets Möglichkeiten zu Einsparungen. Denn die ihm zugesagten jährlichen zwei Millionen aus der französischen Staatskasse trafen nie ein.

Quelle: Wikipedia (PD)

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Aber trotz seiner rastlosen Tätigkeit fühlte er sich nicht ausgelastet. Er fand keinen Ersatz für seine vormalige Rolle als Chef des Grand Empire und der Grande Armée. Doch eigentlich hatte er keinen Grund für Langeweile, denn neben seinen Tätigkeiten gab es Scharen von Besuchern. Seine Mutter Letizia Buonaparte, genannt Madame Mère (1750-1836), wohnte nahe seiner Residenz. Und seine Lieblingsschwester Pauline Bonaparte (1780-1825) lebte im oberen Stockwerk der Villa.
Seine Gattin, die österreichische Erzherzogin Marie-Louise, und sein Sohn, der spätere Herzog von Reichstadt, aber kamen nicht. Ihr Vater, Kaiser Franz I., wußte es zu verhindern.
Abschied von Elba
Durch sein Netz von Agenten und Zuträgern wusste Bonaparte von der Unzufriedenheit mit dem Regime von König Ludwig XVIII. Auch die Meinungsverschiedenheiten auf dem Wiener Kongress waren ihm bekannt. Aber es waren nicht zuletzt die Gerüchte, dass die Alliierten planten, ihn aus Europa zu verbannen, die Napoleon zum Handeln veranlassten. Aber auch Mordpläne und die Gefahr, von Piraten zwecks Lösegeldforderungen gefangen genommen zu werden, spielten eine Rolle. Und schließlich wurde seine Sicherheitslage zunehmend prekär, da ihm die Finanzmittel für das für seinen Schutz verantwortliche Kontingent von Ulanen und Grenadieren ausgingen.

Gemälde von Joseph Beaume, 1836
Quelle: Wikipedia (PD)
Im Dezember 1814 scheint er sich entschlossen zu haben, Elba zu verlassen. Die Flucht wurde von langer Hand vorbereitet und sorgfältig geplant. Eine Reise des englischen Bewachers Sir Neil Campbell (1776-1827) nach Florenz ausnützend, schiffte sich Napoleon am 26. Februar 1815 auf der „Inconstant” und mehreren Begleitschiffen ein und kehrte am 1. März 1815 über Antibes nach Frankreich zurück. Begleitet wurde er von den Generälen Betrand, Drouot und Cambronne, rund 1000 Soldaten, vier Geschützen, einem Wagen und ein paar Pferden. Die Herrschaft der Hundert Tage begann. Sie endete nach 110 Tagen mit der Niederlage in der Schlacht von Waterloo und der Verbannung Napoleons nach St. Helena.
Ob er wohl jemals bereute, Elba verlassen zu haben?
Mehr zu Napoleon: ⇒ Porträt Napoleon Bonaparte
Napoleons Residenzen
Ein besonderes touristisches Highlight sind die Residenzen von Napoleon Bonaparte, der die Insel zehn Monate lang beherrschte und formte.