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Cuba: Die cubanische Literatur

Das Wesen der cubanischen Literatur ist das Aufbegehren gegen die Herrschenden. Im 19. Jahrhundert war es der Kampf gegen die spanische Kolonialherrschaft. Im 20. Jahrhundert ging es gegen die Diktatur; seit der Revolution Fidel Castros ist es ein Kampf gegen die kulturelle Verengung und für die Freiheit der Literatur und Kunst.

In Cuba war und ist das Streben nach Veränderung, das Aufbegehren gegen die Obrigkeit mit all seinen negativen Folgen für die Protagonisten, auf das Engste mit der Literatur verbunden. Es waren immer zuerst die Dichter und Denker, die mit dem Wort als Waffe Missstände anprangerten und sich damit bei den Herrschenden unbeliebt machten. Meist mussten sie dann das Land verlassen, oder sie kehrten ihrer Heimat enttäuscht aus eigenem Antrieb den Rücken. Von Jose Marti (1853-1895) über Zoe Valdes (*1959) bis hin zu Maria Elena Cruz Varela (*1953) hat sich daran im Prinzip nichts geändert. Nur wird Ersterer wegen seiner Verdienste um die Unabhängigkeit als Nationalheld gefeiert, während Letztere wegen ihrer offenen Kritik an Fidel Castro und ihrer Ablehnung des Systems als verachtete Staatsfeindin verfehmt ist. Und doch gibt es zwischen den beiden, ebenso wie zwischen allen anderen bedeutenden Schriftsteller des Landes, eine Verbindung: Es ist die ewige Suche nach der cubanischen Identität einerseits und die schonungslose Offenlegung der sozialen und politischen Verhältnisse andererseits.

Entwicklung im 19. Jahrhundert

Als Vorläuferin einer eigenständigen cubanischen Literatur gilt Condesa de Merlin (Mercedes de Santa Cruz y Montalvo, 1789- 1852). Sie verbrachte einen großen Teil ihres Lebens in Europa und schrieb im spanisch-amerikanisch-romatischen Stil, der die subjektive Wiedergabe von Natur und Ort betont. Nach ihrer Rückkehr nach Cuba eröffnete sich ihr eine nationalistische Perspektive, doch war Nationalismus für sie sowohl Cubanismus und spanische Tradition, ohne politischen Bruch mit Spanien. In ihren Werken nimmt sie oft einen Gegenposition zu den cubanischen Patrioten ein und erscheint dadurch als europäische Kolonialistin. Ihr Cubabild ist ein Amalgam moderner europäischer Eigenschaften, vermischt mit kreolisch-cubanischen Elementen unter Zurückweisung des afrikanischen Moments.

Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine nationale cubanische Literatur, die sich zunehmend von den spanischen Einflüssen loszulösen versuchte. In der aufgeheizten Stimmung dieser Epoche war das für die Schriftsteller nicht unproblematisch. Denn die Kolonialmacht war Kritik nicht gewöhnt, sie konnte damit nicht umgehen, und sie wollte diese Kritik gar nicht erst zulassen. Aber auch die Schriftsteller waren nicht mehr gewillt, zurückzuweichen, sondern formulierten deutlich den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Als Jose Maria Heredia (1803-1839) 1825 in seiner „Himno del desterrado” („Hymne des Verbannten”) schrieb: „¡Cuba! Al fin te verás libre y pura” („Cuba! Einst wirst du frei dich sehen und rein”), wurde er von den spanischen Besatzern verbannt.
Dieses Schicksal erfuhr 1871 auch der spätere Nationalheld José Martí. Seine verständliche Sprache, mit der er Menschen aller sozialen Schichten erreichte, begründen den Widerhall, den er mit seinen Essays, Theaterstücken und Gedichten fand. Der Titel seines 1891 erschienenen Gedichtbandes „Versos sencillos” („Einfache Verse”), aus dem auch der Text zu „Guantanamera”, der heimlichen Hymne Cubas stammt, war zeitlebens sein Programm.

Das 20. Jahrhundert

Neben Marti, dessen Werk richtungweisend für die cubanische Literatur war, gelten zwei andere Poeten als die eigentlichen Nationaldichter des Landes: der Mulatte Nicolas Guillen (1902-1989) und der Franco-Cubaner Alejo Carpentier (1904-1980). Die Beiden haben viele Gemein­sam­keiten: sie griffen erstmals die Rassen­problematik zwischen Schwarz und Weiß auf, sie waren vor der Batista-Diktatur ins Ausland geflohen und sielebten vorübergehend in Paris. Beide kehrten nach dem Sieg der Revolution nach Cuba zurück, beide bekleideten danach hohe Ämter im cubanischen Schriftsteller- und Künstlerverband UNEAC - Guillen als Präsident, Carpentier als Vizepräsident. Carpentier wurde 1977 für sein Werk mit dem renommierten Cervantes-Preis ausgezeichnet. Zu Carpentiers bekanntesten Romanen zählen „Finale auf Kuba” („El acoso”, 1956), Explosion in der Kathedrale („El siglo de las luces”, 1962) und Le Sacre du printemps („La consagración de la primavera, 1978”).

Als zweite Frau überhaupt erhielt 1992 Dulce María Loynaz (1903-1997) diese Auszeichnung. Trotz ihrer Zugehörigkeit zur Oberschicht war sie auch nach der Revolution in Cuba geblieben. 1959 wurde sie sogar zur Vorsitzenden der „Königlichen spanischen Akademie für Sprache” gewählt. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen verließ sie die Insel nie für längere Zeit. Allerdings hatte sie sich in die innere Emigration begeben und fast 30 Jahre lang nicht mehr publiziert. Erst 1984 erschien ein neuer Gedichtband von ihr auf englisch: „A woman in her garden: selected poems of Dulce Maria Loynaz” (2002) und „Against heaven: selected poems of Dulce María Loynaz” (engl/span, 2007).

1997 wurde der Cervantes-Preis an Guillermo Cabrera Infante (1929-2005) verliehen. Er zählt bereits zu den vehementen Kritikern von Fidel Castro und seiner Revolutionsideologie. Während Guillen und Carpentier noch glühende Verfechter des sozialistischen Cubas waren, rechnete die Nachfolger-Generation schonungslos mit dem System ab. Spätestens mit seinem 1992 veröffentlichten Werk „Mea Cuba” („Mein Cuba”) war Cabrera zur Symbolfigur des Widerstands gegen den Máximo Lider geworden. Auf deutsch sind von ihm erschienen: „Wie im Kriege also auch im Frieden” („Así en la paz como en la guerra”, Erzählungen, 1960), „Ansicht der Tropen im Morgengrauen” („Vista del amanecer en el trópico”, Erzählungen, 1964), „Drei traurige Tiger” („Tres tristes tigres”, 1968), „Rauchzeichen” („Holy Smoke”, 1985) und „Schandtat Chachachá” („Delito por bailar el chachachá”, 1995).

Eine weitere scharfe Kritikerin des Systems ist Zóe Valdes (*1959). Zunächst stand sie wie Cabrera Infante hinter dem castristischen Cuba und gehörte von 1984 bis 1988 sogar der cubanischen Delegation bei der UNESCO und der „Oficina Cultural de la Misión de Cuba” in Paris an. Dorthin ging sie 1995 schließlich auch ins Exil. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte sie den Roman „La Nada cotidiana” („dt. Das tägliche Nichts”), ihre persönliche Abrechnung mit der Castro-Regime. Allerdings nimmt sich der autobiografische Roman, der die Defizite des Systems anhand des Alltags in der „Periodo Especial” aufzeigen wollte, selbst ein Stück seiner Glaubwürdigkeit: Durch die willkürliche Verwendung pornografischer Elemente und den Einsatz von Verbalinjurien („paternalistische Scheißkerle”) bleibt er aufgrund fehlenden Tiefgangs und Reflexion vieles schuldig. Weitere auf deutsch erschienene Titel sind die Romane „Dir gehört mein Leben” („Te di la vida entera”, 1996), „ Café Cuba” („Café Nostalgia”, 1997) und „Geliebte erste Liebe” („Querido primer novio”, 1999).

Maria Elena Cruz Varea (*1953) wurde 1989 für ihren Gedichtband „Hijas de Eva” („Evas Töchter”) mit dem Nationalpreis für cubanische Poesie ausgezeichnet. Nachdem sie mit anderen Intellektuellen einen Aufruf zu Reformen unterzeichnet hatte, wurde sie 1991 wegen „Diffamierung der cubanischen Institutionen und Beleidigung der Helden Cubas” zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die sie im Gefängnis von Matanzas absaß. Anschließend stand sie unter Hausarrest, bis ihr 1994 die Ausreise erlaubt wurde. Heute lebt sie mit ihren beiden Kindern in Puerto Rico. Auf englisch von ihr erschienen: „From Ballad of the Blood / Balada De La Sangre: The Poems of María Elena Cruz Varela / Los Poemas De María Elena Cruz Varela” (engl/span, 1995).

Relativ neu für Cuba ist das Literaturgenre des Kriminalromans. Der wohl bedeutendste Autor in diesem Genre ist Leonardo Padura, der mit seiner Figur „El Conde” immer wieder eine kritische Distanz zum System zeigt.

„Ist es möglich, noch einmal von vorn anzufangen und Ungerechtigkeiten, Fehler und Irrtümer zu korrigieren? Nein, Conde, das ist nicht möglich.” (Leonardo Padura)

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