Hamburg — St. Pauli

St. Pauli war der Standort für all jene Gewerbe, die man innerhalb der Stadt aus verschiedenen Gründen nicht haben wollte. Natürlich gehörte auch der käufliche Sex dazu.

St. Pauli - Sehenswürdigkeiten

Reeperbahn

Bei Tag ist die Reeperbahn eine trostlos wirkende, viel befahrene Durchgangsstraße Richtung Altona. Abends verändert sich die Stimmung, die Besucherströme pilgern über die breiten Gehsteige, es glitzert und leuchtet verführerisch.

Reeperbahn
Hamburg, Reeperbahn, Mai 2011
Bei Tag eine trostlose, viel befahrene Durchgangsstraße
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

Die Reeperbahn beginnt am Millerntorplatz, wo noch ein Teil des Millerntors steht. Eine breite Allee durch Grenz- und Niemandsland verband einst das Millerntor mit dem Nobistor der dänischen Nachbarstadt Altona. Ihren Namen erhielt die Straße von den Reepschlägern (Reep = Hanfseil), die hier ihre bis zu 1.800 Fuß langen Schiffstaue spannten und verdrehten. Das über 400 Meter lange Areal zwischen Reeperbahn, Hamburger Berg, Simon-von-Utrecht-Straße und Kleiner Seilerstraße war eine der größten Gewerbeflächen Hamburgs. Mit der Erhöhung der Bodenpreise in der inneren Stadt und der Industrialisierung der Seilherstellung wurde das Gebiet aufgegeben, 1883 geräumt und zur Bebauung erschlossen. An der Nordseite der Seilerstraße befindet sich eine 1887/1888 erbaute Volksschule mit einem getrennten Eingang für Knaben und Mädchen.

St. Pauli-Theater

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St. Pauli-Theater, das älteste Hamburger Theater, Mai 2011
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

Das älteste bestehende Hamburger Theater wurde 1840/41 als Urania-Theater erbaut. 1895 wurde es nach seinem Besitzer in Ernst-Drucker-Theater umbenannt. 1941 befahlen die Nazis, den Namen auf St. Pauli-Theater zu ändern. Das Innere des Hauses ist in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten, die Fassade wurde 1898 von Franz Jacobsen neu gestaltet. Zunächst war es ein Theater für populäre Mundartstücke mit Lokalkolorit und behielt diese Tradition bis in die 1970er/80er Jahre bei. Wegen der inzwischen übermächtigen Konkurrenz des Ohnesorg-Theaters folgte ein Kurswechsel hin zu modernem Boulevardtheater mit überregional bekannten Stars wie Marika Rökk oder Willy Millowitsch. Heute wird ein programmatischer Mix aus Comedy, Kabarett, Musik und „anspruchsvollem Volkstheater” geboten.

[St. Pauli-Theater, Spielbudenplatz 29-30, Schnellbus 36 37 Davidstraße | U3 St. Pauli | S1 S3 Reeperbahn]

Davidwache

1854 wurden die Polizei­wachen David und Paulus zur David­wache am Spielbuden­platz/David­straße zusammen­gelegt. Das Gebäude wurde 1913/14 von Fritz Schuh­macher (1869-1947) im Stil eines Hamburger Bürgerhauses errichtet. Der hohe Backstein­giebel sowie der Erker mit Uhr, der die Mitte der Fassade einnimmt, vergegenwär­ti­gen die bürgerliche Ordnung.

Davidwache
Hamburg, Davidstraße, Mai 2011
Polizeikommissariat 15 - Davidwache
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

An der Seitenfront zur David­straße blicken behelmte Wächter aus Keramik streng auf die blühende Prostitution. Bekannt wurde die David­wache vor allem durch den Film Polizeirevier Davidswache von 1964. Heute ist die Davidwache das Hamburger Polizeikommissariat 15. Der Bau wurde 2004 renoviert und erweitert.

[Davidwache, Ecke Spielbudenplatz/Davidstraße, Schnellbus 36/37 Davidstraße; U3 St. Pauli; S1 S3 Reeperbahn]

Lesetipps: Davidwache im Roman

Sankt Pauli Museum

Sankt Pauli Museum
Hamburg, Davidstraße, Mai 2011
Sankt Pauli Museum, Eingang
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

Das Sankt Pauli Museum (geschlossen) bietet, ähnlich wie das Museum für Hamburg­ische Geschichte, eine Zeit­reise durch die Geschichte: hier geht es aller­dings die Entwicklung von St. Pauli vom Vorort zum weltbekann­ten Viertel. Auf 160 m² kann man eine Reise durch die Zeit machen. Die ersten Bewohner waren Nonnen des Zisterzien­ser­innen-Klosters, das 1247 in der Nähe des heutigen Fisch­markts am Hamburger Berg stand. Neben vielen weiteren Meilensteinen der Geschichte widmet sich das Museum natürlich auch den Beatles, die hier ihre ersten Erfolge feierten, Kiezgrößen und Pauli-Prominenz.
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[Sankt Pauli Museum, Davidstrasse 17, U3 St. Pauli | S1 S3 Reeperbahn seit Okt 2020 geschlossen]

Herbertstraße

Herbertstraße
Hamburg, Herbertstraße, Mai 2011
Eintritt für Frauen verboten
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

Die überregional wohl bekannteste Straße Hamburgs ist die rund 100 Meter lange Herbert­straße. Sie wurde 1797 als Gasse mit der Ausstellung von Huren in Schaufenstern angelegt. Um die Prosti­tution besser kontrollieren zu können, ließen die Stadt­väter 1900 die Gasse zu einer geschlossenen Wohn­anlage umbauen. Die Sperrtore an den Kopfenden der Herbertstraße wurden in der NS-Zeit angebracht.
Die etwa 200 hier arbeiten­den Prostituierten betreiben die Bordelle selbst ohne Zuhälter. Frauen und Jugendlichen unter 18 Jahren ist der Zutritt seit 1984 untersagt.

Hans-Albers-Platz

„Mitten auf dem [Hans-Albers-] Platz steht eine Bronzestatue vom blonden Hans, die vielleicht das einzig Wahre an diesem Platz ist, gemeinsam mit der schrabbeligen Rockabilly-Kaschemme am Eck, in der ausschließlich einsame Männer sitzen, Wölfe, die auf nichts Wert legen außer auf gute Musik, kaltes Bier und eine perfekt sitzende Tolle.” (Simone Buchholz, Revolverherz)
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Hans-Albers-Statue, Mai 2011
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

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Lokal „La Paloma”, Mai 2011
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

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das älteste Hotel Hamburgs, Mai 2011
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

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Hans-Albers-Platz, Mai 2011
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

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Nahe dem Hans-Albers-Eck steht die Kopie der 1989 von Jörg Immendorf geschaffe­nen bronzenen Statue von Hans Albers (1891-1960). Das Original steht am Düsseldorfer Hafen, da dem Künstler der Platz hier zu schäbig geworden war.
Der Hans-Albers-Platz, unweit der Großen Freiheit gelegen, ist umringt von Kneipen, Pubs und sonstigen Spelunken. Unter anderem findet sich am Eck auch die Bar „La Paloma”, benannt nach dem weltbe­kannten Lied. Die für den Film „Große Freiheit Nr. 7” aufgenommene, von Helmut Käutner mit einem deutschsprachigen Text versehene Version des alten südamerikanischen Liedes war der größte musikalische Erfolg von Hans Albers. Unvergessen ist auch seine Interpretation von „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins” aus dem oben genannten Film.

AnhörenAuf der Reeperbahn nachts um halb eins,
ob dun Mädel hast oder hast keins,
amüsierst du dich, denn das findet sich
auf der Reeperbahn nachts um halb eins. (Refrain)

 

St. Pauli - Geschichte

Der Hamburger Berg, wie St. Pauli bis 1833 hieß, ist die Geesthöhe westlich der Stadt bis zum Grenzbach Pepermölenbeck. Im 13. Jahrhundert erlangte Hamburg die Gerichtsbarkeit über dieses Gebiet, nach der Anlage des neuen Wallrings (1615-26) bildete es einen Abschnitt im Glacis der Festung. Das Millentor führte aus der Stadt heraus nach Westen und Nordwesten.
Hier entstand eine lockere Besiedelung mit Gewerbebereichen, die bereits im 17. Jahrhundert Ansätze einer Vorstadt zeigte. 1682 wurde eine St.-Paulus-Kirche erbaut - sie sollte später dem Stadtteil den Namen geben. Die Ansiedlung hatte den Umfang eines Kirchspiels erreicht. Während der französischen Besatzung wurde der Bereich 1813/14 von Marschall Davout abgeräumt, um freies Schußfeld zu schaffen. Mit dem Wiederaufbau nach 1815 erhielt St. Pauli sein regelmäßiges Straßensystem und die teilweise schematische Benennung der Straßen nach Vornamen.

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Wohnviertel und Alltag in St. Pauli, Mai 2011
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

1830 erhielt der Hamburger Berg den Status einer Vorstadt und entwickelte sich nach Aufhebung der Torsperre 1860/61 zu einem dicht besiedelten Viertel, das bei der Vereinigung mit der Stadt 1894 72.000 Einwohner zählte.
Hafenstädte brauchen immer Orte, wo sich die Seeleute nach einer langen Reise amüsieren können. Und so wurden hier bereits im 18. Jahrhundert am Spielbudenplatz Spielbuden errichtet, in denen Zauberer, Feuerspucker, Marionettenspieler, Musiker und allerlei andere bunte Gesellen ihre vergnügungssüchtige Klientel versorgten.
Natürlich gehörte auch der käufliche Sex dazu, und so wurde St. Pauli zum Kiez, zum berühmt-berüchtigten Vergnügungsviertel rund um die Reeperbahn. Aber neben Rotlicht bietet St. Pauli Kabarett und Kleinkunst, Musikveranstaltungen und große Shows, gute Clubs und angenehme Kneipen. Und abseits vom Spielbudenplatz entwickelten sich Wohngebiete, in denen vorrangig Handwerker und Arbeiter lebten und sich meist auf engem Raum zurechtfinden mussten.

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Freie Innenstadtkarte von Hamburg, St. Pauli (Ausschnitt)
Quelle: Marcus Venzke

Die Kriege der Zuhälterbanden und die Skandale der 1970er und 1980er Jahre sind Geschichte. Die Zahl der Strip- und Live-Sex-Shows ist in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Trotzdem fasziniert das Milieu vor allem Touristen immer noch. Die Sicherheitslage ist insgesamt gut, Gewaltexzesse auf offener Straße finden kaum noch statt. Vorsicht allerdings vor Taschendieben. 15% (3.221) aller in Hamburg angezeigten Körperverletzungsdelikte fanden 2011 hier statt. Und St. Pauli steht in der Einkommensskala Hamburgs an unterster Stelle.Top