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Schloss Eckartsau - Wohnort des letzten Kaisers

Das Jagd- und Lustschloss von Erzherzog Franz Ferdinand war kurzzeitig auch der Wohnort von Kaiser Karl I., dem letzten österreichischen Kaiser.

Marchfeld, Schloss Eckartsau
Marchfeld, Schloss Eckartsau
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Das elegante Marchfeld-Schloss liegt etwa 600 Meter südlich des Dorfzentrums von Eckartsau am Nordrand der Donauauen. Der Name ist eng mit den letzten Tagen der Donaumonarchie verknüpft.

Das Schloss

Der Vorgängerbau der heutigen Anlage entstand zur Zeit der Babenberger im späten 12. Jahrhundert als Wasserburg, begehbar nur über eine Zugbrücke. Eigentümer war der edelfreie Heinrich von Ekkartisowe. Zum Besitz der Eckartsauer gehörte auch die „Veste Hof”, das heutige Schloss Hof. 1507 erloschen die Eckartsauer im Mannesstamm, es kam zu mehreren Besitzerwechseln. Um 1660 erwarben die Grafen Herberstein die Burg und bewohnten sie bis in die frühen 1770er-Jahre.
Schloss Eckartsau ist hier noch ein mittelalterliches Gebäude im renaissancezeitlichem Gewand, das der örtlichen Bevölkerung auch als Zufluchtsort diente.

Schloss Eckartsau, Kupferstich von Georg Matthäus Vischer
Schloss Eckartsau, Kupferstich von Georg Matthäus Vischer, 1672
Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672

Franz Ferdinand Graf Kinsky

1720 erwarb der böhmische Hofkanzler Franz Ferdinand Graf Kinsky von Wchinitz und Tettau (1678-1741) den Bau. Der loyale Diplomat wurde 1723 von Kaiser Karl VI. zum Oberstkanzler ernannt. Schon bald nach dem Erwerb ließ Graf Kinsky unter der Leitung des kaiserlichen Maurermeisters Christian Alexander Oedtl (1661-1737) die Burg zu einem barocken Prunkschloss umgestalten. Vom Umbau erhalten ist nur noch die im Nordtrakt gelegene Schlosskapelle. Die barocken Deckenfresken werden François Roettiers (1685-1742) zugeschrieben. Sie gelten als Referenz an Rom und Pabst Innozenz XIII., der mit Unterstützung von Karl VI. und dem diplomatischen Geschick des nach Rom entsandten Grafen Kinsky als Pabst aus dem Konklave hervorgegangen war.

Schloss Eckartsau, Allianzwappen der Grafen Kinsky und Pálffy am Westportal
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
Allianzwappen der Grafen Kinsky und Pálffy am Westportal
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

1730 heiratete der 52-jährige Graf Kinsky die erst 16-jährige Maria Augustina Gräfin Pálffy ab Erdöd (1714-1759). Daran erinnert das Allianzwappen an der Westfassade. Es symbolisiert die Verschmelzung des Hirsches im Schild der Pálffys mit den heraldischen Wolfszähnen der Kinskys. Der gesamte Westtrakt wurde von Joseph Emanuel Fischer von Erlach (1693-1742), dem bevorzugten Architekten des Hochadels, neu errichtet. Der regelmäßige, zweigeschossige Vier-Flügel-Bau umgibt in symmetrischer Form einen annähernd quadratischen Innenhof. Die östlichen Trakte sind architektonisch untergeordnet, während der Westtrakt dem im französischen Raum entwickelten Bautypus des Corps de logis entspricht: ein deutlich vorspringender Mittelpavillon, ein lichtdurchflutetes Vestibül mit Treppe und ein prächtiger Festsaal im Obergeschoß.

Schloss Eckartsau, Festsaal
Marchfeld, Schloss Eckartsau
der prächtige Festsaal im Obergeschoß
Foto © ÖBf-Archiv/Christoph Panzer

Über dem Giebel in der Mitte des Westtraktes befindet sich eine Skulpturengruppe, in deren Zentrum die römische Jagdgöttin Diana steht. Zu ihren Füßen liegt ein verwundeter Hirsch - der unglückliche Jäger Aktäon, der die Göttin und ihre Nymphen im Bad beobachtete hatte und zur Strafe in diesen Hirsch verwandelt wurde. Diana galt im Barockzeitalter als Vorbild der adeligen Frauen und Mädchen. Ihr wurden Eigenschaften wie Keuschheit und Tugend zugeschrieben - eine Botschaft des gräflichen Bauherren an seine blutjunge Ehefrau.

Schloss Eckartsau, römische Jagdgöttin Diana
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
die römische Jagdgöttin Diana, Skulpturengruppe über dem Westportal von Lorenzo Mattielli
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Maria Theresia

1760 erwarben Kaiser Franz I. Stephan und Maria Theresia die Kinsky'schen Besitzungen wegen des reichen Wildbestandes. Das Marchfeldschloss wurde zum kaiserlichen Jagdschloss. Das Hochaltarbild von Vitus Hrdlicka in der Pfarrkirche von Eckartsau zeigt das Schloss 1762 noch vom alten Wassergraben umgeben. 1770/1774 wurden unter Leitung des Hofarchitekten Franz Anton Hillebrandt Adaptionen vorgenommen, die sich jedoch auf den Innenbereich beschränkten.
Nach dem Tod von Maria Theresia verblieb das Schloss zwar im Besitz der Habsburger, wurde aber kaum genutzt. Ende des 18. Jahrhunderts führte eine Hochwasserkatastrophe zu schweren baulichen Schäden, 1820/30 mussten der Ost-Trakt und Teile des Süd-Traktes wegen Einsturzgefahr abgetragen werden.

Marchfeld, Schloss Eckartsau, Osttrakt-Gartenseite
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Januar 2023
Osttrakt (Gartenseite) im Winter
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Franz Ferdinand

Um 1897 übernahm der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863-1914) das Schloss. Es diente ihm als Jagdschloss, lag aber auch günstig zu Pressburg, wo er eine Beziehung mit Gräfin Sophie Chotek hatte. Um die rangmäßig unter ihm stehende Sophie, die spätere Herzogin von Hohenberg, heiraten zu können, mußte er einer morganatischen Heirat Bei der auch als Trauung zur linken Hand bekannten Form der Eheschließung im europäischen Adel ist ein Ehepartner – meistens die Frau – von niedererem gesellschaftlichen Stand zustimmen und für seine zukünftigen Kinder auf die Zugehörigkeit zum Erzhaus und sämtliche Thronansprüche verzichten.
Franz Ferdinand war ein „konservativer Visionär”. Ähnlich wie die literarische Figur des Sizilianers Don Fabrizio, Fürst von Salina, in Giuseppe TOMASI DI LAMPEDUSA's Roman Der Gattopardo suchte er nach neuen Wegen, um das Bestehende zu bewahren. Obwohl antidemokratisch gesinnt, unterstützte Franz Ferdinand die Förderalisierungsprozesse im Habsburgerreich und lehnte die aggressive Kriegspolitik ab. Als Protektor der K.k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, einem Vorläufer des Bundesdenkmalamts, setzte er sich für die Rettung historischer Gebäude wie das Theresianum, das Palais Schönborn oder das Maria-Theresien-Schlössel in Wien-Döbling ein. Der Erzherzog favorisierte den Baustil des Neobarock als eine Erinnerung an das Theresianische Zeitalter, die seiner Meinung nach glorreichste Geschichtsepoche Österreichs.

Schloss Eckartsau, Süd- und Osttrakt
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
der wiedererrichtete Süd- und Osttrakt
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Erzherzog Franz Ferdinand ließ die abgetragenen Ost- und Süd-Trakte in Schloss Eckartsau in neobarocken Formen neu errichten. Im Inneren bevorzugte er eine stilvolle Wohnlichkeit, einen gemütlichen, zweckmäßigen und zugleich repräsentativen Stil. Der Technik gegenüber aufgeschlossen ließ er das Schloss mit der modernsten Haustechnik ausstatten: eine Toilette mit Wasserspülung, eine Niederdampf­druckheizung, eine Badewanne mit Dusche und Warm- und Kaltwasseranschluss sowie einem raumhohen elektrischen Eiskasten im Eiskeller. Das gesamte Schloss wurde elektrifiziert und zu diesem Zweck ein Maschinenhaus errichtet. Ein 25 PS starker Benzinmotor sicherte die Stromversorgung.

Schloss Eckartsau, Deckenfresco Falkenjagd
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
Deckenfresco von François Roettiers im Stiegenaufgang: Vision einer Falkenjagd
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Das große Lebensthema von Erzherzog Franz Ferdinand war die Jagd. Er soll rund 275.000 Wildtiere erlegt haben. Begleitet wurde er dabei von Familienangehörigen, österreichischen Aristokraten und hochrangigen ausländischen Gästen. 1908 war etwa der deutsche Kaiser Wilhelm II. sein Jagdgast. Überall im und am Schloss finden sich Jagdtrophäen.

Schloss Eckartsau, Stiegenaufgang, Jagdthrophäe Schloss Eckartsau, Innehof, Jagdthrophäe
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
Jagdthrophäen im Stiegenaufgang und Innenhof
Foto © Walter Reinthaler/www.bilderreisen.at (cc)

Karl I.

Nach dem tödlichen Attentat auf Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie 1914 in Sarajewo, das den Ersten Weltkrieg auslöste, spielte Schloss Eckartsau nur noch ein Mal eine Rolle in der Geschichte. Am 11. November 1918 verließ Karl I. (1887-1922), Nachfolger von Kaiser Franz Joseph, nach der endgültigren Niederlage Österreichs Schloss Schönbrunn Richtung Eckartsau. Karl sah sich gezwungen, auf jede Beteiligung an den Regierungsgeschäften der österreichischen Reichshälfte zu verzichten. In Wien wurde die Republik ausgerufen. Am 13. November musste er auch eine ähnliche Erklärung bezüglich des ungarischen Reichteils abgeben. Eine Fortsetzung der Monarchie war nicht mehr möglich.

Schloss Eckartsau, Arbeitszimmer Karls I. 1918
Marchfeld, Schloss Eckartsau
Arbeitszimmer von Karl I. 1918
Quelle: Pudelek (Marcin Szala)/Wikipedia (2013)

Angesichts der allgemeinen Not war auch das Leben auf Eckartsau bescheiden. Karl und Teile seiner Familie erkrankten an der Spanischen Grippe. Auch die Sicherheitslage war prekär, so daß der englische König Georg V. Unterstützung entsandte.
Die neue Staatsregierung Renner II, ab März 1919 im Amt, wollte den ehemaligen Träger der Krone (wie er nachfolgend im Habsburgergesetz bezeichnet wurde) außer Landes bringen. Karl und seine Familie reisten am 23. März mit dem Hofzug ins Schweizer Exil ab.

„Als an diesem verregneten Sonntagabend der Hofzug aus der kleinen Bahnhofstation Kopfstetten hinausfuhr, war die Herrschaft der Habsburger in Österreich, die 1278 mit Rudolf I. hier im Marchfeld begonnen hatte, endgültig Geschichte.” Johannes Wais, Schloss Eckartsau

20. Jahrhundert

Obwohl Schloss Eckartsau im Eigentum des kaiserlichen Familienfonds und damit im Privatbesitz der Familie Habsburg stand, ging es im April 1919 mit dem Habsburgergesetz entschädigungslos in den Staatsbesitz über und wurde dem Kriegsgeschädigtenfonds zugesprochen. Die verheerende allgemeine Wirtschaftslage führte jedoch zum Bankrott des Fonds, der 1937 aufgelöst wurde. Mit dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland 1938 wurden die nördlich der Donau gelegenen Auwälder zum sogenannten Staatsjagdgebiet Lobau zusammengefasst. Der größte Teil der Auwälder war Jagd- und Schutzgebiet, das Betreten streng verboten.
Mit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Osten Österreichs sowjetische Besatzungszone. In Schloss Eckartsau wurde eine Kommandatur eingerichtet, die dem Schloss die sonst üblichen Devastierungen ersparte.
Mit dem Staatsvertrag von 1955 erhielt Österreich seine Eigenstaatlichkeit zurück. Im Zeichen des Wiederaufbaus waren der Verkauf von Holz und Wild, aber vor allem der Ausbau der Stromerzeugung an der Donau ein wichtiges Ziel. 1984 wurde der Ausbau gestoppt, der Erhalt der einzigartigen Flusslandschaft rückte in den Vordergrund. 1996 wurde der Nationalpark Donau-Auen gegründet.

Schloss Eckartsau, Westtrakt
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
Westtrakt
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Heute gehört Schloss Eckartsau den Österreichischen Bundesforsten, die in den letzten Jahren über 4 Millionen Euro in die Instandhaltung investiert haben: die gesamte Aussenfassade, das Dach sowie das Stiegenhaus, die Kapelle und einige historische Räumlichkeiten wurden renoviert. Im Erdgeschoß befinden sich die Räume der Verwaltung und das Schloss-Café. Die Räumlichkeiten können für private und offizielle Veranstaltungen gemietet werden. Schloss und Schlosspark sind außerdem beliebte Kulisse für Filmdrehs und Modeshootings. Als außergewöhnliche Hochzeits-Location ist es sehr beliebt.

Der Schlosspark

Wie der Schlosspark im 18. Jahrhundert zur Zeit des Grafen Kinsky ausgesehen hat, ist nicht überliefert. In den Beschreibungen wird lediglich eine Allee als durchgehende Sichtachse von West nach Ost erwähnt.

Schloss Eckartsau, Schlosspark, Sichtachse, Winter
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Januar 2023
Schlosspark, Ost-West-Sichtachse
Foto © www.bilderreisen.at/Monika Reinthaler (cc)

Erzherzog Franz Ferdinand ließ zeitgleich mit den Umbauten 1897/98 auch einen neuen Park nach den Plänen des Schönbrunner Hofgärtendirektors Anton Umlauft in Form eines englischen Landschaftsgartens anlegen. Dieser verstand sich als Gegenbewegung zum französischen Barockgarten mit seiner strengen Geometrie und einer in die Ferne greifenden Perpektive, die die gottgegebene Welt- und Gesellschaftsordnung widerspiegelt. Der englische Garten gibt der Natur ihre Form und Individualität zurück und betont die Einzigartigkeit und Vielfalt der einzelnen Elemente.

Schloss Eckartsau, Schlosspark, Norden
Marchfeld, Schloss Eckartsau, September 2019
Schlosspark nördliche Seite
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Der Hofgärtner Anton Umlauft gliederte die 27 Hektar große Parkanlage in zwei große thematische Bereiche. Die Bepflanzung der nördlichen, dem Dorf zugewandte Seite nimmt Bezug auf die weitläufigen Weiden und das Ackerland des Marchfeldes.

Schloss Eckartsau, Schlosspark, Süden
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2019
Schlosspark südliche Seite
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die an die Donau-Auen anschließende südliche Parkseite wurde mit künstlichen Wasserläufen und Schilfgürteln wie eine Aulandschaft gestaltet.
Im Park werden auch Bisons und Schafe gehalten.

Schloss Eckartsau, Schlosspark, Bisons
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Oktober 2022
Bisons im Schlosspark
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
Schloss Eckartsau, Schloss 1, A-2305 Eckartsau, Tel. +43 2214 2240, Internet
23.03. - 30.04.2024 tägl. 10-17 Uhr,
Führungen tägl. 11, 14 & 16 Uhr (Besichtigung nur mit Führung)
Events 2024

Die Schlosskirche

Etwa 200 Meter nordöstlich von Schloss Eckartsau liegt die Pfarrkirche Hl. Leonhard aus dem 14. Jahrhundert. Der Kernbau war wahrscheinlich eine dreischiffige Chorturm-­/Chor­quadratkirche. Die Kirche wurde unter Beibehaltung des im Kern gotischen Chores und des vorhandenen Grundrisses 1703 barockisiert.

Schloss Eckartsau, Kirche
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Juli 2020
Schlosskirche Hl. Leonhard
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Das Kircheninnere ist ein fast quadratischen Langhaus einer ursprünglich dreischiffigen gotischen Halle. In der Südwand des Chores gibt es eine rundbogige Sessionsnische und darüber ein Oratoriumsfenster. Der barocke Hochaltar aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat einen freistehenden Altartisch mit einem Marmortabernakel und zeigt das Altarblatt hl. Leonhard als Fürbitter vor der Hl. Dreifaltigkeit vor einer Darstellung von Ort und Schloss, gemalt von Vitus Hrdlicka 1762.

Schloss Eckartsau, Kirche innen
Marchfeld, Schloss Eckartsau, Juli 2020
Schlosskirche Hl. Leonhard, innen
Foto © www.bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)

Die barocke Orgel in einem klassizistischen Gehäuse wurde 1737 von Vinzenz Deutschmann begonnen und von Franz Ullmann fertiggestellt.

Literatur/Quellen

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