Buchtipp : Wladimir RYBAKOW, Afganzy. (Rezension)

Wladimir RYBAKOW, Afganzy.

Afghanistan/Erzählungen/

 Wladimir RYBAKOW: Afganzy.
Wladimir RYBAKOW: Afganzy.
(Afganzy., 1988)
154 S., ISBN: 3-927527-21-1
München: Kyrill & Method Verlag; Leipzig: Reclam, 1990
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Sowjetische Soldaten in Afghanistan.
Die Sowjets waren die Bösen. Sie hatten das Land besetzt, sie bekämpften die Bevölkerung. Ganze Dörfer wurden ausradiert, Karawanen vernichtet. Es gab keine Gefangenen. Der Kampf der Mudschahedin gegen die Sowjets war richtig und gerecht.
So lautet das gängige Narrativ über die sowjetische Intervention. Und es stimmt auch - aber nur teilweise. Auch die Sowjets hatten das Ziel, Afghanistan zu entwickeln und in die moderne Zeit zu überführen. Und sie gaben sich durchaus Mühe. Aber es war eine Entwiclung, die der Westen nicht gutheißen konnte. Und die die Afghanen so nicht wollten. Aber die fragte keiner - auch nicht die Amerikaner.
Die Situation der sowjetischen Soldaten wird kaum in der Literatur thematisiert, sie waren ja die Bösen. Aber die wenigsten waren freiwillig dort. Die anderen kämpften einfach darum, am Leben zu bleiben, die Abrüstung zu erleben, mit dem Materialmangel, der unpassenden Ausrüstung zu leben und sich selbst zu helfen. Gegen Korruption, Schleichhandel, Parteilosungen und Kommissare. Die so schön gemalte Welt gab es nicht.
Inzwischen glaube ich, daß diese Propaganda der Obrigkeit selbst am meisten nützt. Überleg selbst. Da fahren die Leute entweder, um ihre internationalistische Pflicht zu erfüllen oder die Afghanen vor den Amerikanern, Chinesen, Pakistani oder vor sich selbst zu beschützen. Mit der Zeit wird denen, die ohne eigenes Nachdenken nicht leben können, klar, daß es in Afghanistan weder Amerikaner noch Chinesen noch Pakistani gegeben hat.
Das Buch hat zwei Teile. Der erste Teil ist fast wie ein Roman und behandelt die wenigen Tage, die der neu nach Afghanistan versetzte Oberleutnant Borisow erlebt. Sein erster Einsatz verläuft so ganz anders, als er es auf der Militärakademie gelernt hat. Er muß sich den Respekt der Männer erarbeiten, sonst wird er nicht überleben.
Im vorangegangenen Monat hatte man Major Trumaschkoj, dem Versorgungsoffizier, nachts ein Bajonett in die Kehle gerammt, mitten im Offizierszelt. Der Major konnte kaum noch erwachen, da war er schon in der Hölle. Wer? Es gab so viele Männer, die seinen Tod herbeisehnten. Zu viele Jungs hatte er schon durch seine schwachsinnigen Befehle in den Tod geschickt, zu frech stahl er und beraubte die Soldaten ihrer lebensnotwendigen Kalorien.
Und am Ende ist es doch umsonst: Ein kleiner Junge hat dich mit dem Messer getroffen. Du hast ihn danach noch erwischt.
Der zweite Teil beschreibt verschiedene Episoden, sowohl von Soldaten in Afghanistan, aber auch in der Heimat selbst. Niemand kümmert sich um die Helden, wenn sie nach Hause kommen. Niemand hilft ihnen, wenn sie verletzt sind. Niemand interessiert sich für sie, alle Versprechungen lösen sich in Luft auf, niemand will ihre Geschichte hören. Eine ähnliche Situation kennt man von den Veteranen des Vietnam-Krieges. Wofür das Alles?
Fazit: Wladimir RYBAKOW zeigt die andere Seite des sowjetischen Afghanistan-Krieges, die man so bisher nicht im Blickfeld hatte. Am Ende sind es immer die, die unten stehen, die überbleiben. Und eigentlich wollen sie nur überleben.

Nein, nicht für Rußland stirbst du hier, Leutnant, nicht für das Reich, nicht für den Zugang zum Ozean, wie man im Westen meint. Du stirbst um der Feigheit und Dummheit unserer Führung willen. Für eine teuflische Idee. Wir unterdrük-ken hier die Afghanen aus denselben Gründen, wie wir es früher mit den Ungarn, Tschechen und anderen gemacht haben. Diese Hunde in Moskau haben schon lange die Doktrin durchgesetzt, daß jedes Land, daß an die Sowjetunion grenzt, sich auf den Weg zum Sozialismus machen müsse. Sie haben Angst, daß sich eines Tages ein Land vom Kommunismus befreien wird und die stählerne Gefängniskette reißt. Und die Dummheit besteht darin, daß wir auf diese Weise eines Tages die ganze Welt gegen uns haben werden. Und dann wirds schlimm nicht nur für die Kommunisten, sondern auch für Rußland, das sie zuallererst vergewaltigt und dann als Geisel genommen haben. Das ist es, wofür du stirbst.

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