Buchtipp : James Lee BURKE, Zeit der Ernte. (Rezension)

James Lee BURKE, Zeit der Ernte.

USA/Texas/Roman/

 James Lee BURKE: Zeit der Ernte.
James Lee BURKE: Zeit der Ernte.
Hackberry Holland 1  Neu 
(Lay down my sword & shield., 1971)
383 Seiten, ISBN: 978-3-453-27101-2
München: Heyne, 2017
Bewertung
Bewertung: 3 Sterne

Rezension

Alkohol und der Kampf gegen die Dämonen.
Hackberry Holland ist ein erfolgreicher Anwalt und Veteran des Koreakriegs der 1950er-Jahre. Er war 30 Monate in chinesischer Gefangenschaft, und die Erinnerung lässt sich nur mit Unmengen an Alkohol - bevorzugt Jack Daniel's - in Schach halten. Und mit Sex mit Frauen aus einem gehobenen Escort-Service. Sein Bruder Bailey, ein pedantischer Zwängler, und seine Frau Verisa drängen ihn zu einer politischen Karriere, bei der er als Kongressabgeordneter die Interessen der texanischen Öl- und Rüstungsindustrie vertreten soll. Und eines Tages könnte er vielleicht Nachfolger von Senator Dowling werden.
Diese Chance der Macht lockt Holland natürlich. Allerdings kann er sich dann nicht von seiner Frau trennen - es ist das Amerika der 1970er-Jahre. Sie war seine Jugendliebe, hat sich aber durch religiöse Einflüsse stark verändert. Oder hatte immer schon diese Züge, die Holland in seiner Verliebtheit nicht wahrgenommen hatte. Und er fühlt sich immer unwohler auf diesem Weg, den er langsam als aufgezwungen empfindet.
Da bittet ihn der ehemalige Armeekamerad aus Korea, der mexikanischstämmige Landarbeiter Art Gomez, um Hilfe. Er hatte an einer gewerkschaftlichen Demonstration der Landarbeiter teilgenommen und war in einem rechtswidrigen Prozess verurteilt wortden. Holland kommt mit der Anfechtung durch, aber bevor er dies Gomez mitteilen kann, wird dieser auf der Gefängnisfarm ermordet - ohne jeden ersichtlichen Grund. Holland nimmt zum ersten Mal bewußt die andere Seite Amerikas war.
Am Stadtrand von Yoakum kam ich an den Behausungen der Schwarzen und Mexikaner vorbei, die, obwohl teilweise in unterschiedlichen Jahrzehnten erbaut, alle gleich aussahen. Die Fassaden waren allesamt grau und verwittert, die Veranden größtenteils baufällig, auf die Dächer hatten die Bewohner Fetzen aus Teerpappe genagelt, und vor den Häusern tollten dreckige Kinder in zugemüllten Gärten zwischen kaputtem Spielzeug, alten Kabel- und Drahtknäueln, leeren Bleichmittelkartons und überfüllten Mülltonnen. Hinter den Häusern sah es nicht anders aus: Zwischen alten Autos, deren verrostete Motoren und demolierte Windschutzscheiben von Spinnweben überzogen waren, wucherte das Unkraut ...
Fazit: James Lee BURKEs Roman ist für seine Entstehungszeit überraschend sozialkritisch. Er zeigt die dunklen Seiten Amerikas und sieht diejenigen, die dagegen anzukämpfen versuchen, durchaus positiv und im Recht. Stark sind auch seine Schilderungen des Korea-Kriegs und der chinesischen Kriegsgefangenschaft, der im Bewußtsein Europas kaum vorhanden ist. Ein frühes Trauma Amerikas und Vietnam durchaus ähnlich. Allerdings ist es nicht immer einfach, für Holland bei seinen Alkoholexzessen und Autorasereien immer Sympathie zu empfinden.

Ich nahm einen Schluck aus der Flasche und schaute dem Schwarzen ins Gesicht. Zum ersten Mal, seitdem ich ihn kennengelernt hatte, sah ich die gläserne Härte in seinen Augen, das in ihnen enthaltene Flackern der Demütigungen und die dünne, erhabene Narbe, farblos und hart wie Plastik, auf seiner Unterlippe. Sein glänzender Schädel war von Schweißperlen bedeckt, und hinter seinen Ohren traten die Muskelstränge hervor, als würde er voller Wut auf irgendetwas tief in seinem Inneren herumkauen.
[...]
Er leckte sich mit der Zunge über die Unterlippe, und die Narbe glänzte wie eine Glasscherbe. Zum zweiten Mal an diesem Tag fehlten mir die Worte. Draußen sangen die Zikaden in der Stille. Ich trank mein Bier aus, zündete mir eine Zigarre an und ließ ihn allein am Tisch zurück.

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