Buchtipp : Andrea CAMILLERI, Jagd nach einem Schatten. (Rezension)

Andrea CAMILLERI, Jagd nach einem Schatten.

Sizilien/Biografischer Roman/

 Andrea CAMILLERI: Jagd nach einem Schatten.
Andrea CAMILLERI: Jagd nach einem Schatten. .
(Inseguendo un'ombra., 2014)
197 S., ISBN: 978-3-312-01086-8
München: Nagel & Kimche, 2018
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Religion ist auch eine Philosophie.
Samuel Ben Nissim Abul Farag lebt in einer kleinen jüdischen Gemeinde in Sizilien und ist schwul. Sein Vater, der Rabiner, lehrt ihn alles über die Kabbala - in der Hoffnung, daß Samuel eines Tages ein höhres Amt übernehmen könnte. Doch Samuel hat andere Pläne. Er verkauft die Heiltinkturen, die sein Vater herstellt, teilweise an einen Kräuterhändler. Mit dem Geld will er den kleinen Ort verlassen. Doch ein Diener des herrschenden Adeligen hat sein Versteck entdeckt und will ihn bestehlen. Samuel töten ihn und muß als Konvertit ins Kloster fliehen.
Dort arbeitet er sich mit seinen philisophischen Religionsstudien empor, wird in ein bedeutenderes Kloster versetzt. Der einflußreiche Conte Moncada wird sein Taufpate und gibt ihm seinen Namen. Als Guglielmo Raimondo Moncada gelangt er nach Rom an den Hof von Pabst Sixtus IV. Der mächtige Kardinal Cybo wird sein Förderer, Samuel erhält Privilegien und Pfründe. Er scheint am Gipfel des Möglichen angelangt zu sein, bis er wegen eines schweren Verbrechens - das historisch nie genau geklärt werden konnte - aus Rom fliehen muß.
Ein Jahr verbringt er in Deutschland, doch dann zieht es ihn wieder zurück nach Italien. In Florenz wird er als Flavio Mitridate Lehrer des späteren Philosophen Pico della Mirandola, für den er die Kabbale übersetzt. Schließlich geht er zurück nach Sizilien, wo sich seine Spur verliert.
Andrea CAMILLERI ist im deutschsprachigen Raum vor allem für seine Krimiserie mit dem sizilianischen Commissario Montalbano bekannt. Aber der sehr produktive Autor beschäftigt sich auch mit der Geschichte Siziliens, insbesondere zur Zeit des Faschismus, und mit den Verhältnissen in Sizilien. Eine seiner Leidenschaften ist das Schreiben biographischer Romane, in denen er nach ausgiebiger historischer Recherche Porträts von Personen präsentiert, die eher unbekannt oder vergessen sind. Ein Beispiel ist etwa das Porträt von Donna Eleonora di Mora, die 1677 für 27 Tage als Frau spanischer Vizekönig in Sizilien war.
Fazit: Die Person von Samuel Ben Nissim Abul Farag alias Guglielmo Raimondo Moncada alias Flavio Mitridate bleibt unfassbar. Wohin wollte er? War es mehr als ein Leben als bedeutender Philosoph und Religionswissenschaftler? Und als er den ihm möglichen höchsten Gipfel erklommen hatte, warf er alles weg. Trotz zahlreicher Bibliographien bleibt die Person im Dunkeln. Camillieri versucht, sie mit den Mitteln des Roman aufzuhellen, wie er in einigen Einschüben erklärt. Aber eine literarische Aufhellung wäre wohl zu viel Spekulation gewesen.

Sie haben ihn in eine unterirdische Zelle geworfen, eiskalt, fensterlos, am Ende eines langen Gangs mit zwei Reihen anderer, aber leerer Zellen, und dort vergessen. Er sitzt nicht in völliger Dunkelheit, denn die Fackel im Gang, die Tag und Nacht brennt (doch wann ist es Tag? Wann ist es Nacht?) befindet sich in der Nähe der Gittertür zu seiner Zelle.
Einzige Gesellschaft: die Ratten. In allen Größen und Farben.

weitere Bücher zu
Sizilien
Biografischer Roman
Bücher von Andrea CAMILLERI

Top