Buchtipp : Hannah KENT, Das Seelenhaus. (Rezension)

Hannah KENT, Das Seelenhaus.

Island/Historischer Roman/

 Hannah KENT: Das Seelenhaus.
Hannah KENT: Das Seelenhaus.
(Burial rites., 2013)
382 S., ISBN: 978-3-426-19978-7
München: Droemer Knaur, 2014
Bewertung
Bewertung: 5 Sterne

Rezension

Island kann sehr kalt sein.
1828. Die Magd Agnes Magnúsdóttir ist des Mordes an Natan Ketilsson angeklagt, gemeinsam mit dem Paar Fridrik und Sigga. Fridrik und Agnes werden zum Tode verurteilt, Sigga wird vom dänischen König (Island war damals dänische Provinz) zu lebenslanger Haft begnadigt. Die Tat steht fest, Agnes' Rolle dabei scheinbar auch.
Insbesondere an Agnes will der zuständige Landrat ein Exempel statuieren. Denn obwohl sie von ihrer Mutter verlassen worden war und im Rahmen der Armenfürsorge von Hof zu Hof weitergegeben und ausgebeutet wurde, hat sie etwas Widerständiges an sich. Gehorsam nur nach außen hin denkt sie selbständig und lässt sich nicht beugen. Das steht einer Bediensteten in dieser Zeit nicht zu.
Da es im ländlichen Island kein Gefängnis gab, wird Agnes bis zur Hinrichtung der Obhut der Bauernfamelie Jon und Margrét zugewiesen.
Dieses Kleid war mein letzter Besitz. Jetzt nenne ich nichts mehr mein Eigen; selbst die Wärme, die mein Körper abstrahlt, wird mir von der sommerlichen Brise genommen.
Der Vikar Tóni soll sie mit geistlichem Beistand begleiten. Ihm gegenüber, vor allem aber in einem inneren Monolog, öffnet sie sich, so daß die Motive ihres Handelns und ihre tatsächliche Schuld klar hervortreten. Da die Gespräche im badstofa, dem gemeinsamen Raum aller am Hof, stattfinden, bekommt sie auch die Familie mit. Und die anfängliche Ablehnung von Agnes und Furcht vor der Mörderin werden zum Verständnis für einen Menschen, der ein Mal in seinem Leben glaubte, Beachtung, Anerkennung, Liebe zu finden - und zutiefst enttäuscht wurde. Margrét wird ihr fast zu der Mutter, die Agnes niemals hatte.
Margret streckt mir den Arm entgegen, sie nimmt meine Hand in die ihre, presst meine Finger so fest, dass es weh tut, es tut so weh.
»Du bist kein Monster«, sagt sie. Ihr Gesicht ist gerötet, und sie beißt sich auf die Lippen, sie beißt fest zu.

Armut, Aberglaube und Gottesfurcht, aber auch die oft menschenfeindliche Umgebung prägen den Umgang der Menschen miteinander: hart, unerbittlich, mitleidlos. Die als Mägde und Knechte Geborerenen haben niemals die Chance, ihrem Schicksal zu entkommen und ihr Leben zu ändern, es gar selbst in die Hand zu nehmen. Aber auch das Leben der besitzenden Bauern ist oft nur eine Stufe besser: Wenn die Natur nicht will, überleben auch sie nicht.
Fazit: Der australischen Autorin Hannah KENT ist hier eine Studie der klimatischen und menschlichen Kälte Islands gelungen, die unter die Haut geht. Als Trost bleibt, daß diese Kälte manchmal aufbricht. Aber dieses Aufbrechen bleibt nicht.
Der Roman beruht auf einem tatsächlichen Fall. Agnes Magnüsdöttir war die letzte Person, die in Island hingerichtet wurde, nachdem sie aufgrund ihrer Verstrickung in die Ermordung von Natan Ketilsson und Petur Jönsson in der Nacht vom 13. auf den 14. März 1828 auf dem Hof von Illugastadir (Illugastadir) auf der Vatnsnes Peninsula im Norden von Island zum Tode verurteilt worden war.

Wir wurden in den Armen unserer Mutter von einem Ort zum anderen geschleppt. Wohin? Zu unzähligen Badstofas, die anderen Männern und deren Ehefrauen gehörten. Sie schauten uns aus roten Augen an und waren gütig oder verzweifelt genug, um eine Frau mit drei Mäulern anzuheuern, von denen zwei jede Nacht vor Hunger heulten, weil sie nicht wussten, dass es zwecklos war.

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