Buchtipp : Lutz SEILER, Kruso. (Rezension)

Lutz SEILER, Kruso.

Mecklenburg-Vorpommern/Hiddensee/Inseln/Roman/

 Lutz SEILER: Kruso.
Lutz SEILER: Kruso.
480 S., ISBN: 978-3-518-42447-6
Frankfurt: Suhrkamp, 2014
Bewertung
Bewertung: 2 Sterne

Rezension

Apokalyptisch gescheitert.
Hiddensee war zur Zeit der DDR scheints eine Art Aussteiger-Insel, ein Ort, um aus dem System unterzutauchen - sofern man es auf die Insel geschafft und dort Quartier und Arbeit (vorwiegend als Saisonkraft) gefunden hatte. Denn wegen ihrer Nähe zu Dänemark war die Insel auch eine Fluchtmöglichkeit aus der DDR. Deshalb gab es genaue Kontrollen, man durfte nicht am Strand schlafen, und der Aufenthalt in den Lokalen war nur bis zur Mitternachtsstreife gestattet.
Edgar Bendler hat seine Freundin G. verloren - die näheren Umstände (Unfall, Flucht, einfaches Verlassen) bleiben unerwähnt. Und als auch noch der Kater Mathew verschwindet, beschließt Ed, sich aus dem System auszuklinken, sein Studium aufzugeben und nach Hiddensee zu fahren. Er hatte Gerüchte gehört, daß man dort untertauchen könnte.
Ed hat Glück. Nach zwei unentdeckten Nächten im Freien finder er im Ferienheim "Zum Klausner" Quartier und Arbeit im Abwasch. Nach einiger Zeit wird er von der eng verbundenen Gemeinschaft der Saisonkräfte im Lokal aufgenommen und freundet sich mit dem Russen oder Wolgadeutschen Alexander Krusowitsch, genannt Kruso, an. Kruso ist der Inselpate, er will jeden "Schiffbrüchigen" des Landes und des Lebens zu den Wurzeln der Freiheit führen. Was damit gemeint ist und wie das vor sich gehen soll, bleibt unklar.
Überhaupt bleibt so vieles in diesem Roman ungesagt, vielleicht auch, weil Ed selbst wenig spricht. Das Geschehen spielt sich wie hinter einem Schleier aus Eds konfusen Gedanken ab. Möglicherweise geht es um Fluchthilfe.
Der Sommer 1989 ist der letzte der geschlossenen DDR, langsam beginnen die Grenzen zu fallen, die Nachrichten sprechen von Massenflucht, im Winter wird alles offen sein. Die Saisonkräfte nutzen die Gunst der Stunde, verlassen ihre Arbeit und Hiddensee, das sich selbst immer mehr aufzulösen und in eine Apokalypse zu gleiten scheint. Mit ihr Ed.
Im Epilog kommt dann ein wenig Klarheit in die Handlung. Viele Jahre später verdsucht Ed, in Dänemark etwas über die unbekannten Flüchtlinge herauszufinden. Er sucht Krusos Schwester Sonja, die eines Tages einfach verschwand, und auf deren Wiederkehr Kruso den Rest seines Lebens wartete.
Fazit: Was hätte der Erstling von Lutz SEILER für ein Roman werden können! Die Auseinandersetzung mit dem System DDR, die Flucht aus diesen Zwängen und auch aus dem Land, die unbekannten Toten - ein reicher Schatz an Themen. Aber Seiler macht daraus - nichts. Er lässt Ed Unverständliches vor sich hingrummeln und Kruso sich in irgendwelchen Utopien von Freiheit ergehen. Es fehlt dem Roman an Klarheit, erkennbarem Sinn, Handlung - eigentlich an allem. Wofür Seiler den Deutschen Buchpreis 2014 bekommen hat, bleibt rätselhaft, die Begründung der Jury scheint sich auf ein anderes Buch zu beziehen. Der Roman ist eigentlich nur Zeitverschwendung mit gelegentlichen Lichtblicken.

Er tat nur so. Er hatte verschwinden, im Grunde sich selbst zum Verschwinden bringen wollen. Unmöglich in einem Land, in dem doch vermutlich alle Stellen auf irgendeine Weise in Verbindung standen, Universität, Meldestelle, Kreishygienekommission? Aber nicht der Klausner, dachte Ed, nicht die Arche! Er schüttelte den Kopf, aber sein Kopf war immer noch schwer, und ihm wurde schwindlig davon.

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