Buchtipp : Kristof MAGNUSSON, Zuhause. (Rezension)

Kristof MAGNUSSON, Zuhause.

Island/Roman/

 Kristof MAGNUSSON: Zuhause.
Kristof MAGNUSSON: Zuhause.
314 S, ISBN: 3-88897-402-X
München: Antje Kunstmann, 2005
Bewertung
Bewertung: 3 Sterne

Rezension

Lárus nähert sich dem Dreißiger, und er findet, es wäre an der Zeit, sein Zuhause in dieser Welt, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Mit neun Jahren hat er, gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester, nach dem Tod der Mutter Island in Richtung Hamburg verlassen. Nun ist Weihnachtszeit, und er kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Er will das Fest Zuhause mit seiner Familie feiern.
Seine Familie ist seine Freundin aus Kindertagen, Matilda - "Ich war der einzige Junge, der sich nicht für Fußball interessierte, und sie das einzige Mädchen, das nicht Mutter-Vater-Kind-und-Pferd spielen wollte" -, deren Freund Svend und Larus' Freund Milan.
Doch Matilda hat sich von dem hehren, ganz und gar vollkommenen Svend, den Lárus für sie ausgesucht (handgecastet) hatte, getrennt: "Er ist alles, was ich mir immer gewünscht habe. Alles gleichzeitig!" Und Milan hat Lárus verlassen.
Matilda nimmt die Trennung zum Anlaß, ihr Leben zu ändern: Sie gibt ihren Job beim Fremdenverkehrsamt auf ("Alles, was die Menschen im Ausland über Island wussten, wussten sie von Matilda"), zieht aus ihrer Wohnung im achten Stock, auf deren breiten Fensterbänken Lárus gerne schlief ("Nirgendwo schlief ich so gut wie dort, Reykjavík mit seinen erleuchteten Hügeln und der schwarzen Bucht unter mir"), in eine Wohngemeinschaft und will ein Lokal für Suppen eröffnen. Lárus will nichts verändern, sondern wie bisher nur alles vergessen ("Ich behandelte meine Erinnerungen wie die Mafia ihre Mordopfer"). Doch auch für ihn bleibt nichts mehr so, wie es war, und schließlich beginnt er seine Erinnerungen an die Zeit mit Milan aufzuschreiben, um sie der "Gesellschaft für Liebeskranke" in Zürich zu schicken, die Erinnerungen verwahrt.
Lárus trifft Dagur, Sohn einer der reichsten und mächtigsten Familien Islands, de er noch aus der Grundschule kennt. Damit wird er in eine Familiengeschichte hineingezogen, in die seine und Dragurs Familie verwickelt sind. Und hier driftet der Roman ab, glaubt, sein Thema Zuhause durch Familienbindungen stärken zu müssen.
Was im Stil einer amerikanischen Screwballkomödie beginnt, mit pointierten, witzigen Dialogen und punktgenauen Situationsbeschreibungen, entwickelt sich im letzten Drittel zu einem Quasikrimi, verliert den Schwung, wird geschichtsschwer und klischeebeladen. Denn natürlich bekämpft Dragur seine Familie, hat sein Vater ein Geheimnis im Tresor, das nur in den identitätsstiftenden Islandsagen ein Skandal wäre.
Fazit: Bis auf das letzte Drittel eine humorvolle, treffsichere Beschreibung Reykjavíks, seiner Nachtszene und des Versuchs seiner Protagonisten, ein Zuhause zu finden. Lesenswert!

Zum ersten Mal fand ich, dass Matilda sehr nordisch aussah, und zum ersten Mal bedeutete dieses Wort für mich so etwas wie triest. Meine Matilda war auf dem Weg, eine einsame Gestalt aus einem Film von Aki Kaurismäki zu werden, ein vom vielen Kaffee blass gewordenes Orakel der Polarnacht.

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