Wahrzeichen Heidentor
Markomannen, Quaden, Naristen, Jazygen und andere Völker drangen 168 n.Chr. über den Donaulimes in die römischen Provinzen Norikum und Pannonien ein. Sie bedrohten die Legionsfestungen Vindobona und Carnuntum. Über die bestehenden Nord-Süd-Verbindungen, vor allem die Bernsteinstraße, strömten sie weiter nach Oberitalien und belagerten Aquileia. Ein Schock, denn seit fast 300 Jahren war kein auswärtiger Feind mehr in das italienische Mutterland vorgedrungen.
Kaiser Marc Aurel besiegte die germanischen Völker noch auf ihrem Rückmarsch an der Donau. Aus Sicht Roms lag die Römerstadt Carnuntum damals noch an der Peripherie des Imperiums, was sich allerdings mit den Markomannenkriegen änderte. Als dann auch noch 193 Lucius Septimius Severus in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen wurde, erlebten die Städte entlang des Donaulimes eine Blütezeit.
Ein weiteres Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung war die Vierkaiserkonferenz 308 in Carnuntum. Hier konnte die von Kaiser Diokletian begründete Vierkaiserherrschaft (Tetrarchie) noch einmal gerettet werden.
Die Bedeutung Carnuntums als politischer und kultureller Drehscheibe erklärt sich aus seiner geografischen Lage am Schnittpunkt zweier transkontinentaler Verkehrswege: der Wasserweg der Donau und die Bernsteinstraße.
Am Rande der römischen Stadt, etwa zwei Kilometer westlich der Zivilstadt von Carnuntum, wurde mit der Errichtung des Heidentors, eines monumentalen Quadrifrons (viertoriger Triumphbogen, Doppeldurchgangsbogen, Tetrapylon), ein Zeichen der uneingeschränkten Macht Roms gesetzt.

Quelle: Wikipedia/Gryffindor (CC BY-SA 3.0)
Archäologische und bauhistorische Untersuchungen des Heidentores haben erbracht, dass das Janus-Quadrifrons in Rom praktisch nach dem gleichen Baumaß (16 x 16 Meter im Grundriss) wie das Heidentor konstruiert worden ist. Der Bau ist nach den Haupthimmelsrichtungen hin orientiert.
Das Heidentor, das bekannteste und meistbeachtete Denkmal der Austria Antiqua, war seit jeher ein Anziehungspunkt für Reisende und Forscher, Künstler und wissbegierige Besucher. Seine Funktion war nicht klar. Für den Wiener Arzt und Historiker Wolfgang Lazius (1514-1565), von dem es seinen Namen erhielt, war es ein Stadttor oder ein Triumpfbogen.
„Vorhanden ist noch mitten auf dem Felde der Überrest eines gewaltigen alten Tores, von dem das Dorf einen Steinwurf weit gelegen ist, nicht so weit von der Grenze Österreichs und Ungarns entfernt, benannt nach der heiligen Petronilla …” (Wolfgang Lazius, Commentarii Rei Publicae Romanae, 1551)

Quelle: Wikipedia (CC)
Der Name „Heidentor" geht wohl auf die Tradition zurück, alles Römische als „heidnisch" zu bezeichnen, und auf die irrige Meinung, ein „Tor" vor sich zu haben. So nennt ein Kolmarer Mönch des 13. Jahrhunderts in der Descriptio Theutoniae das Land östlich von Wien „Theutonia" mit des Riesen Theutos „Grabmal". Man kann darin das (damals noch intakte) Heidentor zu sehen, das an ein Mausoleum erinnerte.
Frühere Deutungsversuche als Stadt- oder eine Art Straßentor, das eine Kreuzung überspannte, oder als Grabmonument und Ehrenbogen zur Erinnerung an die historisch bedeutsame Zusammenkunft römischer Kaiser 308 n.Chr mussten wieder verworfen werden. Die Auswertung der Grabungsergebnisse und die Analyse seiner Baustruktur ergaben, dass das Monument der spätrömischen Periode zuzurechnen ist und nicht vor der Mitte des 4. Jahrhunderts n.Chr. erbaut wurde. Die Errichtung des Monumentes fällt wahrscheinlich in die Zeit der Alleinregierung von Kaiser Constantius II. (317|337-361), genauer in die 350er Jahre. Vermutlich stand das Monument an einer stark befahrenen Straßenkreuzung im Stadtgebiet Carnuntums.

Petronell-Carnuntum, September 2021
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
In der Mitte des Baues wurden die Fundamentreste eines Rundsockels festgestellt, der die leicht überlebensgroße Kaiserstatue getragen hat. Der zentrale Figurensockel schließt jedoch eine Durchgangsfunktion aus, das Tor diente wohl als Baldachin für die Kaiserstatue.

Petronell-Carnuntum, September 2021
Foto © bilderreisen.at/Walter Reinthaler (cc)
Die Auswertung der 44 erhaltenen Einzelbauteile des Rundsockels bestätigt die Interpretation als 4,30 Meter hohe Figurensäule, die sich mehrfach nach oben zu abstufte. Die auf dem Pfeiler aufgestellte Figur war wohl leicht überlebensgroß.
Solange jedoch das städtische Gefüge Carnuntums nicht ausreichend geklärt ist, kann über das ursprüngliche städtische Umfeld des Heidentors und seine äußere Wirkung nur spekuliert werden.
Die Sage vom Römerschatz beim Heidentor
Eines Abends hütete ein Bursche aus Petronetl mehrere Rinder draußen beim Heidentor. Als er eben die Tiere heimtreiben wollte, sah er neben dem Heidentor eine bläuliche Flamme am Boden leuchten. Der Bursche dachte, an dieser Stelle sei gewiss ein Schatz verborgen, und er beschloss, diesen zu heben. Am nächsten Abend erschien die Flamme wieder und der Bursche bezeichnete die Stelle durch eine Marke. Am dritten Tage nahm er Grabwerkzeuge mit und grub ein tiefes, weites Loch. Zu seiner Freude stieß er auf einen Steinsarg, in dem er den Schatz vermutete. Eben wollte er eine Ecke der mächtigen Deckenplatte abschlagen, um in das Innere des Sarkophages zu gelangen, da fühlte er sich hart an der Schulter gefasst. Sich aufrichtend, gewahrte er eine Gestalt in noch nie gesehener Kleidung, die ihm zurief: „Törichter, dieser Schatz ist nicht dir bestimmt! Sieh dort deine Kühe!" Der Bursche blickte erschreckt auf diese und sah, dass seine Tiere in einen Weingarten eingedrungen waren und dort großen Schaden anrichteten. Da sprang er aus der Grube, um seine Kühe aus dem verbotenen Gehege zu vertreiben. Und dies war sein Glück. Denn kaum stand er auf ebenem Boden, so erfolgte ein gewaltiges Getöse. Der Fremde stand riesengroß vor ihm, riss ein ungeheures Stück vom Oberteil des Bauwerkes herab und schleuderte es auf die Stelle, wo der Bursche das Loch getrieben hatte, und begrub so den Schatz wiederum, vielleicht für immer. Seit jener Zeit liegt neben den zwei Pfeilern des Heidentores, an deren Ostseite, ein riesiger losgerissener Mauerblock.
(aus: Sagenschatz aus dem Bezirk Bruck an der Leitha, zit. nach Erlebnis Archäologie)
Römisches Stadtviertel, Hauptstraße 1A, 2404 Petronell-Carnuntum, Tel. +43 (0) 2163/3377-0, 18. März bis 19. November 2023, täglich 9 - 17 Uhr, Römerstadt Carnuntum
Museum Carnuntinum, Badgasse 40-46, 2405 Bad Deutsch-Altenburg, 18. März bis 19. November 2023 tägl. 9 - 17 Uhr, Webseite
Literatur/Quellen
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