Buchtipp : Alan BENNETT, Die souveräne Leserin. (Rezension)

Alan BENNETT, Die souveräne Leserin.

England/Elizabeth II/Roman/

 Alan BENNETT: Die souveräne Leserin.
Alan BENNETT: Die souveräne Leserin.
(The uncommon reader., 2007)
114 S., ISBN: 978-3-8031-1254-5
Berlin: Klaus Wagenbach, 2008
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Eine Königin sollte nicht lesen. Jedenfalls keine Bücher.
In einem etwas abgelegeneren Palasthof auf Schloß Windsor, an dem die Königin zufällig vorbeigekommen ist, verbellen die Hunde den Büchereibus. Sie entschuldigt sich beim Bibliothekar, leiht sich höflicherweise ein Buch und trifft auf den Küchenjungen Norman.
Eigentlich liest die Königin keine Bücher. Sie kennt zwar viele Autorinnen und Autoren, denen sie einmal irgendereine Auszeichnung verliehen hat, aber nicht deren Bücher. Aber sie lernt schnell, daß die Welt der Bücher eine ganz eigene ist, und sie dort viel mehr über ihr Reich und die Menschen erfahren kann, als die Palastschranzen ihr erzählen. Und lesen beginnt sie zu faszinieren - und ihre eigentlichen Aufgaben (die Eröffnung von irgendwas) - beginnen sie zu langweilen. Und sie bedauert die dabei verlorene Lesezeit.
Der Hof ist nicht begeistert, ihr Privatsekretär Sir Kevin findet es unpassend. Und er ist alarmiert, als sie dann auch noch Norman aus der Küche holt und zu ihrem Bücherberater macht. Was für Norman nicht ganz einfach ist.
Dieser Auftrag bereitete ihm [Norman] einiges Kopfzerbrechen. Er war zwar einigermaßen belesen, doch vor allem Autodidakt, und suchte seine Lektüre in erster Linie danach aus, ob ein Autor schwul war oder nicht. Das ließ zwar weiten Spielraum, war aber dennoch eine Einschränkung, vor allem, wenn man ein Buch für jemand anderen aussuchen sollte, und umso mehr, wenn es sich dabei zufällig um die Queen handelte.
Mit der Zeit entwickelt die Königin ihren eigenen Büchergeschmack und eignet sich ein Bücherwissen an, so daß sie auch ihre eigenen zahlreichen Bibliotheken nützen kann. Aber sie erkennt auch, daß Lesen nicht Tun ist. Und sie will nicht passiv sein, sondern etwas tun: wie etwa selbst schreiben ...
Fazit: Bücher zu lesen ist, jedenfalls in den gehobenen Schichten, eine scheints nicht sehr anerkannte Tätigkeit. Ob und welche Bücher Elizabeth II. tatsächlich liest, lässt Alan BENNETT offen. Ihm geht es eher um die theoretische Wirkmöglichkeit des Lesens. Wie man Büchern verfallen kann, weil sie in eine andere Welt führen. Das trifft natürlich auf viele Menschen zu, lässt sich aber bei einer Königin eindringlicher darstellen. Mit der erforderlichen Brise englischem Humors.

Die Queen zögerte, denn — um ehrlich zu sein — sie wusste es nicht. Sie hatte sich nie sehr fürs Lesen interessiert. Natürlich las sie, wie man das eben tat, aber Bücher gern lesen, das überließ sie anderen. Das war ein Hobby, und ihr Beruf brachte es mit sich, keine Hobbys zu haben. Jogging, Rosenzüchten, Schach oder Bergsteigen, Torten dekorieren, Modellflugzeuge. Nein. Hobbys bedeuteten Vorlieben, und Vorlieben mussten vermieden werden; sie schlössen bestimmte Menschen aus. Man hatte keine Vorlieben zu haben. Ihr Beruf verlangte, Interesse zu zeigen, aber keine Interessen zu haben. Und außerdem war Lesen nicht Tun. Sie war ein Mensch der Tat.

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