
Die Kaffee-Saga 2
460 Seiten, ISBN: 978-3-492-31722-1
München: Serie Piper, 2022
Bewertung

Rezension
Auch Nationalsozialisten mögen Kaffee.
Das hamburger Kaffeekontor Behmer & Söhne
hat den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegszeit gut überstanden - dank Marias Geschick und Einsatz. Ihre Schwägerin Gertrud hat sich nach dem Tod ihres Gatten Alfons Behmer - der falsche Bruder - mit Maria versöhnt. Aber ein kleiner Stachel ist geblieben, seit sie aus der Familienvilla ausgezogen sind. Das empfindet sie immer noch als ungerecht. Ihre Tochter Emma hat Otto Röpcke geheiratet, einen aufstrebender Anwalt, mit dem sie zwei Kinder hat. Alle werden zu fanatischen Nationalsozialisten.
Cläre, Marias Tochter, zeigt wenig Interesse für das Kaffeegeschäft. Sie möchte Wirtschaft studieren, aber in den 1930er-Jahren sind Frauen in diesem Studium nicht erwünscht. Auch ihr Verlobter, der durch die Heirat das Kaffeekontor übernehmen möchte, ist davon nicht angetan. Für Cläre zwei Gründe, ihn doch nicht zu heiraten, auch wenn ihre Tante Gertrud Druck zu machen versucht.
Ab 1929 drängen sich auch in Hamburg die Nationalsozialisten hervor. Sie breiten sich immer mehr im Kaffeehandel aus und verdrängen die alteingesessenen, teilweise jüdischen Händler. Schließlich übernimmt das Reichswirtschaftsministerium den Kaffeehandel, der damit praktisch zusammenbricht. Nur mit Genehmigung des Ministeriums darf mit den zugeteilten Kontingenten gehandelt werden. Behmer & Söhne
kann sich knapp über Wasser halten. Auch die Einfuhr aus Marias brasilianischer Kaffeeplantage funktioniert nicht mehr. Die englischen Schiffe weigern sich, Fracht nach Deutschland zu transportieren. Und die brasilianischen Behörden sind desinteressiert. Maria fährt daher mit ihrem alten Freund, der im Ersten Weltkrieg Geschäftsführer war, nach Brasilien.
Cläre hat keine Chance mehr auf einen Studienplatz. Die Nationalsozialisten haben den Frauen eine andere Rolle zugedacht. Und Cläre muß sich jetzt um das mühsame Kaffeegeschäft kümmern. Sie verliebt sich in den freiheitsliebenden Demokraten Fritz Waltershausen. Aber der muß aus politischen Gründen vor der Hochzeit fliehen.
Fazit: Anja MARSCHALL gelingt es beeindruckend gut, die vergiftete Atmosphäre der Zeit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten spüren zu lassen. Man spürt fast selbst den Druck und die latente Gefahr, die überall lauert. Da wirkt die Bombennacht der alliierten Operation Gomorrha
mit all ihrem Schrecken fast befreiend. Sehr dicht und überzeugend gelungen!
Die Zeiten hatten sich geändert. Emma hatte es verstanden, ihre Möglichkeiten zu nutzen. Jetzt herrschten neue Namen in Hamburg und im Reich. Das beunruhigte Gertrud. Es schien ihr, als hätten die Mächtigen im Land keine wirkliche Moral, keinen christlichen Geist, der ihren hehren Zielen einen Rahmen setzen konnte. Und so musste heute jeder Einzelne in seinem Herzen entscheiden, ob er mit dem neuen Zeitgeist gehen, sich arrangieren oder untergehen wollte.