
Hauke Sötje 5 Neu
299 Seiten, ISBN: 9783740813611
Köln: Emons, 2022
Bewertung

Rezension
Tristan und Isolde
- eine Wagner-Oper als Leitfaden für Schuld und Sühne.
Hauptkommissar Hauke Sötje ist gar nicht begeistert, seine Frau Sophie zu einer Wagner-Oper begleiten zu müssen. Aber zu seiner Erleichterung - und Sophies Ärger - wird er zu einem Mordfall gerufen. Pastor Krause wird erhängt auf dem Friedhof seiner Kirche gefunden. In seiner Tasche ein Zettel mit dem Wort Schuldig
. Der Pastor war wegen seiner bigotten Glaubensauffassung nicht überall beliebt. Aber da er möglicherweise Bischof werden sollte, hat der Fall eine gewisse Brisanz.
Inzwischen lernt Sophie in der Loge von Gräfin Bülow die gefeierte Sopranistin Carlotta Francini kennen, die nach Auftritten in Chikago und Wien vielleicht für eine Saison im Hamburger Stadttheater verpflichten würde. Die beiden Frauen freunden sich an. Carlotta bittet Sophie, ihr Hamburg zu zeigen. Und nur zu gerne willigt Sophie, die sich in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter langweilt, ein. Carlotta will damit auch der ständigen Umschwärmung von Maximilian von Siems entkommen, dessen Heiratsantrag sie abgelehnt hatte.
Dann gibt es zwei weitere Mordfälle: Ein ehemaliger Leiter des Waisenhauses und die Frau eines Bankiers, die Erzieherin in dem Waisenhaus war. Und Carlotta scheint der gemeinsame Schlüssel zu sein - aber auch die Täterin...?
Fazit: Dem 5. Band der Serie mit Hauptkommissar Hauke Sötje fehlt ein wenig der Thrill. Er verläuft wie Sophies Leben als Mutter und Ehefrau etwas flach, ohne besondere Herausforderung. Anja MARSCHALL zeigt hier, daß die Ehe vielleicht ein sicherer Hafen ist, aber die Selbstbestimtheit draußen bleiben muß. Denn der Spielraum von Frauen, und insbesondere Ehefrauen, war doch sehr begrenzt. Die Frauen-Emanzipation ist noch in weiter Ferne.
Während das Publikum aus dem Zuschauerraum ins Foyer schwärmte, nestelte Sophie an ihrem Pompadour. So unauffällig wie möglich würde sie sich durch die Menge begeben, um das Stadttheater zu verlassen, denn es schickte sich tatsächlich nicht, ohne Begleitung in der Öffentlichkeit aufzutreten. Derartige Privilegien konnten sich vielleicht die Damen der neuen englischen Frauenvereine erlauben, von denen Sophie in der »Gartenlaube« gelesen hatte und die scheinbar recht energisch auftraten, sie hingegen musste um ihren Ruf fürchten.
Hoffentlich warteten vor dem Portal noch einige Mietkutschen, von denen eine sie nach Hause bringen könnte. In ihrer dunklen Stube würde sie ganz allein sein, gekleidet wie eine Prinzessin. Sie würde hinaus auf die Straße schauen, ohne recht zu wissen, warum sie nicht einfach losschrie.
Dieses Gefühl hatte Sophie seit einigen Monaten, und sie verstand es nicht. Warum fühlte sie sich so einsam, so wütend, so durchsichtig? Sie hatte alles, was sich eine Frau nur wünschen konnte: ein schönes Zuhause, einen Mann, der sie liebte, ein gesundes Kind, genug zu essen auf dem Tisch oder ab und zu eine kleine Ablenkung vom Alltag, wenn sie die Gräfin besuchte.
Unter dem Vorwand, es sei für ihren Mann, besorgte sie sich täglich die »Hamburger Nachrichten« und den »Hamburgischen Correspondent«, die ihr schmerzlich zeigten, wie sehr der Fluss des Lebens an ihr vorbeirauschte.