
Atlee Pine 4 Neu
(Mercy., 2021)
476 Seiten, ISBN: 978-3-453-27400-6
München: Heyne, 2022
Bewertung

Rezension
Auch Zwillinge können ganz verschieden sein.
Die FBI-Agentin Atlee Pine sucht ihr Leben lang verzweifelt ihre Zwillingsschwester Mercy. Als sie neun Jahre alt waren, wurde Mercy entführt, Atlee überlebte einen Schlag auf den Kopf nur mit Mühe. Eine Racheaktion der Mafia. Denn ihre Mutter arbeitete undercover für eine Anti-Mafia-Regierungsbehörde.
Nun scheint Atlee den Aufenthaltsort ihrer Schwester gefunden zu haben. Sie wurde dort wie ein Tier gehalten und konnte schließlich fliehen. Aber wo ist sie nun?
Die zweite Erzählebene beschreibt das Schicksal und Leben von Mercy, die auf die harte Tour gelernt hat, zu überleben. Als sie einer Frau gegen ihren prügelnden Mann hilft, tötet sie diesen unabsichtlich. Aber der Mann hat einen reichen und einflußreichen Bruder, der die Tat als Angriff auf die Familienehre empfindet. Er sucht Mercy und findet sie schließlich - wie auch Atlee. Nur gemeinsam können sie die Bedrohung überwinden.
Fazit: So scharf und aufrüttelnd hat David BALDACCI noch in keinem Buch die Lebensumstände jener Amerikaner/innen beschrieben und kritisiert, die ganz unten stehen. Die versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen, einfach nur zu überleben - und dafür letztlich alles machen müssen. Er kontrastiert diese Schicksale beeindruckend mit den Lebensmöglichkeiten der Oberschicht. Das macht das Buch lesenswert. Denn spannungsmäßig ist der Thriller zeitweise ungewohnt flach. Und Atlee oft zu hysterisch, wo kühle Überlegung angebracht wäre.
In dem Torhaus an der einzigen Zufahrtsstraße saß rund um die Uhr ein bewaffneter Pförtner. In den Nachtstunden patrouillierten außerdem zwei Autos durch die Siedlung; eines davon war ihres. Die Häuser waren mit den modernsten Sicherheitsanlagen ausgerüstet. Es gab hier mehr Kameras als in Hollywood. Alles in allem war es eine harte Nuss für Einbrecher. Wenn man von hier aus den Notruf verständigte, waren die echten Cops zur Stelle, bevor man das Handy wieder eingesteckt hatte. In Detroit war einmal jemand in Cains damalige Wohnung eingebrochen, in einer Gegend, die man mit viel gutem Willen als »im Übergangsstadium« bezeichnen konnte. Sie hatte die 911 angerufen, aber die Cops hatten sich gar nicht erst die Mühe gemacht zu erscheinen. Wahrscheinlich hatten sie Angst, sich in der Gegend blicken zu lassen.