Buchtipp : Ernst H. KANTOROWICZ, Kaiser Friedrich der Zweite. (Rezension)

Ernst H. KANTOROWICZ, Kaiser Friedrich der Zweite.

Porträts/Friedrich II./Biografie/

 Ernst H. KANTOROWICZ: Kaiser Friedrich der Zweite.
Ernst H. KANTOROWICZ: Kaiser Friedrich der Zweite. Hauptband. Neu-Ausgabe.
(zuerst 1927), 572 S, ISBN: 3-608-95807-X
Stuttgart: Klett-Cotta, 2003
Bewertung
Bewertung: 3 Sterne

Rezension

Das geheime Deutschland.
Als im Mai 1924 mehrere Mitglieder des George-Kreises am Sarkophag des Kaisers Friedrich II. in der Kathedrale von Palermo einen Kranz mit der Aufschrift "Seinen Kaisern und Helden - Das geheime Deutschland" niederlegten, war auch Ernst Kantorowicz dabei. Nur drei Jahre später erschien seine Biografie von Friedrich II., die in Fachkreisen Aufsehen erregte und Kontroversen hervorrief, aber von einer breiten Leserschaft gut aufgenommen wurde. Mit seiner Überhöhung Friedrichs als "Gottessohn Weltenrichter Widerchrist" und als Erlöser Barbarossas gab er den Deutschen nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs und der Glanzlosigkeit der Weimarer Republik eine neue Identitätsfigur. Von Kantorowicz natürlich nicht so beabsichtigt, griffen auch die Nationalsozialisten nach dem Buch. So sah der dem Regime nahe stehende Historiker Karl Ipser in Hitler den von Kantorowicz ersehnte Erlöser Friedrichs II.
Das Buch zählt sicher zu den bedeutenden Friedrich-Biografien, auch wenn es wissenschaftlich überholt ist. Ob man es allerdings seiner geschliffenen und eleganten Sprache wegen lesen sollte, wie manche zeitgenössische Friedrich-Biografen meinen, sei dahingestellt. Die ins Mythische überhöhte Figur des Kaiser wird wird in einer bombastischen Sprache dargestellt, die das Buch zu einer Hagiographie macht und an die Lobpreisungen nordkoreanischer Herrscher erinnert. Aber wenn es nicht gerade um die Person geht, sondern um von Friedrich gesetze Maßnahmen - wie etwa die Organisation des sizilianischen Staates - wird die Sprache sachlich und lässt das enorme Wissen Kantorowicz erkennen.
Eine kritische oder auch nur neutrale Auseinandersetzung mit Friedrich findet nicht statt. Der Kaiser bleibt als Person und Funktion unangreifbar, jeder Zweifel an ihm ist Frevel. "Durch das gottunmittelbate Davidtum des Ostens, auf germanische Lehenshoheit und römische Princepswürde getürmt, hatte der Staufer das mittelalterlich-christliche Caesarentum zu einer ganz einmaligen Steilheit emporgeführt."
Der Neuausgabe des Buches 1963 stimmte Kantorowicz nur sehr zögernd zu. Seine Einstellung zu Nationalismus, Führergestalten und zur Demokratie hatte in seinem amerikanischen Exil eine grundlegende Veränderung erfahren. Er verweigerte den Loyalitätseid - weder Kommunist zu sein noch Kommunisten zu unterstützen -, der 1949, in der McCarthy-Ärea von den Professoren verlangt wurde. Denn er sah in ihm eine fundamentale Einschränkung der akademischen Freiheit, die ihn an die Zwangsmaßnahmen der Nationalsozialisten gemahnte. Und er stand der Demokratischen Partei näher als den Republikanern und sympathisierte mit der Bürgerrechtsbewegung. Eine grundlegende Überarbeitung des Buches mochte er nicht mehr leisten und meinte, "man sollte halt ein Buch, das bei Himmler auf dem Nachttisch lag und das Göring an Mussolini mit Widmung verschenkte, in völlige Vergessenheit geraten lassen."
Fazit: Nicht unbedingt seiner Sprache wegen sollte man das Buch lesen. Auch die in Mythische gewandte Verklärung Friedrichs II, den er den Tyrannen Siziliens nennt und dies positiv meint, sollte man ausblenden. Denn davon abgesehen legt Kantorowicz ein materialreiches, umfassendes und, obwohl nicht mehr am Stand der Forschung, Erkenntnisgewinn verschaffendes Werk vor. Für den dahinter stehenden Geist und die bombastische Sprache gibt es allerdings nur drei Sterne.

Wenn aber Sizilien schon vor jedem Gewalthaber zur Adoration ins Knie zu sinken gewöhnt war, so wird es verständlich, bis zu welchem Grade sich dieser Herrscherkult steigern mußte, als an Stelle eines Normannengrafen oder sonstigen Fürsten entsprechend der jetzt viel helleren Zeit mit Friedrich II. leibhaft der römische Kaiser selbst als König über Sizilien herrschte, den das römische Recht als Divus, den das ganze Imperium von alters als Gleichnis der Gottheit zu feiern pflegte, und vor dem selbst die christlichen Ritter, Johanniter und Templer, das Knie bogen. Hier konnte Friedrich II. der willigen Hingabe sicher sein, die ihm unerläßlich war.

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