Buchtipp : Jo NESBØ, Rotkehlchen. (Rezension)

Jo NESBØ, Rotkehlchen.

Harry Hole/Norwegen/Besetzung/Krimi/

 Jo NESBØ: Rotkehlchen.
Jo NESBØ: Rotkehlchen.
Harry Hole 3
(Rødstrupe., 2000)
459 S, ISBN: 978-3-548-60836-5
Berlin: List Taschenbuch Verlag, 2010
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Das Trauma der deutschen Besetzung Norwegens wirkt immer noch nach.
Beim Besuch des amerikanischen Präsidenten in Oslo schießt der Kriminalbeamte Harry Hole auf einen Secret-Service-Mann, der sich ungemeldet an einer exponierten Stelle befindet. Um den Fall nicht als Fehler, sondern als Zeichen der besonderen Effizienz der norwegischen Polizei darzustellen, wird Hole anschließend zum Kommissionsleiter beim Staatsschutz befödert.
Dort erhält er eher zufällig Kenntnis vom Import eines Märklin-Gewehrs (ein spezielles Scharfschützen-Gewehr, das gerne von Attentätern verwendet wird) nach Norwegen. Harry Hole findet heraus, daß der Käufer ein alter Mann war und sich eines Mittelsmannes aus der rechtsradikalen/nationalsozialistischen Szene bediente. Aber wen hat der alte Mann im Visier?
Holes Vorgesetzter nimmt die Sache wenig ernst. Hole soll die Sache nicht weiter verfolgen und wird für sechs Mionate nach Schweden beordert, um die dortige rechtsradikale Szene zu beobachten - und weil er einem Staatssekretär im Weg ist.
Als aber mit dem Märklin-Gewehr ein Mord verübt wird, wird die Sache brisant und Hole zurückgeholt. Bei der Suche nach dem Attentäter stößt Hole auf Spuren, die bis zum Zweiten Weltkrieg zurückreichen. Norwegen wurde damals von Deutschen Truppen besetzt, und entgegen dem offiziellen Wunschbild waren nicht alle Norweger im Widerstand. Es gab zahlreichen Kollaborateure, Einige kämpften auch an der Seite der Deutschen in Russland. Und diejenigen, die zurückkamen, empfinden noch immer ihre Beteiligung als Kampf für Norwegen und gegen den Bolschewismus, und nicht als Verrat an Norwegen. Sie fühlen sich von der Nachkriegsregierung verraten.
Geschickt verwebt der Autor mehrere Zeit- und Erzählebenen und lässt so am Kampf der Norweger bei Leningrad teilhaben. Einer der Kämpfer kommt sogar in ein Spital nach Wien - hier allerdings hat Nesbø nachlässig recherchiert: Ein "Kronprinz Rudolph II."-Spital hat es hier nie gegeben, gemeint ist möglicherweise das "Rudolphinerhaus". Auch sonst zählt dieser Teil zu den schwächeren Passagen.
Fazit: Jo Nesbø kehrt mit seinem dritten Roman um den Osloer Kriminalbeamten Harry Hole nach Norwegen zurück und zeigt, daß die Narben der Deutschen Besetzung und der Kollaboration noch immer vorhanden sind und die Vergangenheit in die Gegenwart hineinwirkt. Der Roman Schaufenstermord von Kjell Ola DAHL beschäftigt sich mit einer ähnlichen Problemlage.

Harry drückte den Abzug. Einmal, zweimal, dreimal.
Und dann ging alles wahnsinnig schnell. Das farbige Glas wurde weiß, prasselte in einem Kristallregen auf den Asphalt, und er konnte gerade noch erkennen, wie ein Arm hinter dem unteren Fensterrahmen herabsackte, ehe das summende Geräusch teurer amerikanischer Autos erklang - und wieder leiser wurde.
Er starrte auf das Häuschen. [...] Er starrte noch immer auf das Häuschen, als der klagende, unnachgiebige Laut einer Hupe den Tag durchschnitt.

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