Buchtipp : Gregor SANDER, Ich bin aber hier geboren. (Rezension)

Gregor SANDER, Ich bin aber hier geboren.

Mecklenburg-Vorpommern/Erzählungen/

 Gregor SANDER: Ich bin aber hier geboren.
Gregor SANDER: Ich bin aber hier geboren.
138 S., ISBN: 3-498-06361-8
Reinbeck: Rowohlt, 2002
Bewertung
Bewertung: 5 Sterne

Rezension

Gregor Sander zeichnet Miniaturen des Lebens.
Die neun knappen Erzählungen holen jeweils einen kurzen Ausschnitt aus einem Lebensabschnitt ins Scheinwerferlicht. Es gibt kein danach, aber jeder Ausschnitt beleuchtet fast ein ganzes Leben davor. Eigentlich auf den ersten Blick nur banale Alltagsgeschichten werden sie auf den zweiten Blick zum verdichteten Erleben der Menschen.
Da ist die titelgebende Geschichte von drei Männern in einem kleinen Dorf an der Nordseeküste, die miteinander trinken und ihre Einsamkeit teilen. Einer ist hier geboren, die beiden hier Gestrandeten werden Freunde. Da ist das Mädchen, das eines Tages Mann und Kind hinter sich lässt, mit anderen einen Banküberfall plant und wieder geht, als dieser nicht stattfindet. Da bekommt einer eine Art Ansichtskarte von einem alten Freund, mit dem er einmal im Jahr angelt, und der plötzlich verschwunden ist, ohne Spuren. Da ist einer gebannt von den drei Akorden eines Gitarrespielers, der nur diese Tag und Nacht spielt und die wie eine Melodie im Kopf hängen bleiben. Da ist einer arbeitslos geworden und droht, daran zu zerbrechen, bis er einen absurden Rekord aufstellt. Da kommt einer einmal im Jahr für ein paar Wochen zu einem Freund, als Ankündiger des Herbstes, und inszeniert ein Theaterstück. Da verliebt sich ein Mädchen in einen Jungen, und weil es ihn nicht bekommt, nimmt es sich einen, der dem anderen gleich ist. Da kommt ein herrenloser Kater um und wird zum Symbol für ein verlorenes Kind. Da treffen sich zwei, die von der großen Welt geträumt haben, nach zehn Jahren wieder, und die Zeit dazwischen verschwindet.
Fazit: Sanders Erstling enhält bereits alle Zutaten seiner späteren Werke: die knappe und doch bildhafte Sprache, die absolute Verkürzung des Inhalts, ohne ihm den Gehalt zu nehmen. Lebensminiaturen aus Nord- und Ostdeutschland.

Sie ließen uns das Abitur nicht machen, Vera und mich. Etwas stimmte nicht in meinem Lebenslauf. Ich wollte Arzt werden, so wie mein Vater und mein Großvater. Aber das ging nicht. Gründe wurden nicht genannt. [...]
Vera hatte einen Ausreiseantrag gestellt. Eigentlich hatten ihre Eltern ihn gestellt. Aber sie hatte das bekräftigt an ihrem achtzehnten Geburtstag. Bei ihr waren die Fronten klar. Niemand wunderte sich, daß sie kein Abitur machen konnte und stattdessen mit diesem albernen Tuch hinter der Rezeption stand und sich über ausländische Gäste freute, über solche, bei denen sie ihr Englisch gebrauchen konnte. Das würde später wichtig sein.

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