Buchtipp : Petra OELKER, Lorettas letzter Vorhang. (Rezension)

Petra OELKER, Lorettas letzter Vorhang.

Hamburg/Historischer Krimi/

 Petra OELKER: Lorettas letzter Vorhang.
Petra OELKER: Lorettas letzter Vorhang. Ein historischer Kriminalroman.
(zuerst 1998), 395 S, ISBN: 978-3-499-22444-7
Reinbeck: Rowohlt TB-Verlag, 2001
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Eigentlich würde man annehmen, daß die Variationsmöglichkeiten nicht sehr groß sind: Eine Komödiantentruppe, der die zentrale Figur Rosina angehört, die Großkaufmannsfamilie Herrmanns, der Erste Wedde Wagner, Hamburg in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Und natürlich einer oder mehrere Morde.
Und doch gelingt es der Autorin immer wieder, diesen Plot zu variieren. Diesmal hat sich Rosina von der Komödiantentruppe verabschiedet und ist dem Rufdes neuen Nationaltheaters am Gänsemarkt gefolgt. Allerdings wartet sie dort vergeblich auf ihren ersten Bühnenauftritt. Denn das Theater unter dem künstlerischen Direktor Johann Friedrich Löwen (1727-1771) wird von der Schauspielerin Friederike Hensel (1738-1789) dominiert, die alle größeren weiblichen Rollen für sich beanspruchte.
Rosina sehnt sich zu den Komödianten zurück und freundet sich mit Loretta an. Diese wird jedoch, kurz vor ihrem ersten größeren Auftritt, hinter der Bühne ermordet. Doch ergibt ihr Mord keinen Sinn und hat kein erkennbares Motiv. Bis es Rosina gelingt, ein Freundschaftstuch Lorettas zu finden und zu entschlüsseln. Wodurch sie natürlich selbst in große Gefahr gerät.
Wie immer wirkt der Krimi hsitorisch stimmig und gut recherchiert. Die näher beleuchteten historischen Themen sind die Herstellung und Bedruckung von Baumwollstoffen (Kattun) und die gesellschaftliche Position des Theaters in Hamburg. Denn während in London Theater und auch Schauspieler gesellschaftlich weitgehend anerkannt sind (sogar der König und die Königen besuchen Vorstellungen), kann es in Hamburg nicht wirklich Fuß fassen und wird von der Geistlichkeit und vielen Bürgern bekämpft. Das einzige feste Theater Hamburgs, das Hamburger Nationaltheater, war eine Gründung von zwölf Kaufleuten mittlerer Bedeutung und existierte nur von April 1767 bis November 1768, als es wegen Geldmangel und fehlendem Publikumsinteresse schließen musste.
Neben den informativen historischen Erläuterungen gewinnen die historischen Romane von Petra Oelker eine zusätzliche Dimension durch die Einbeziehung realer historischer Persönlichkeiten. Diese werden im Glossar, in dem auch nicht mehr geläufige Ausdrücke (zB. Wedde) erläutert werden, näher vorgestellt.
Fazit: ein historisch stimmiger und lesenswerter Krimi, der nebenbei auch über das Berufs- und Alltagsleben der Zeit aufklärt.

"Niemals", rief sie, "die Neigung zur Sündhaftigkeit ist dem Menschen gemäß. Sie ist seine Natur, vor der er um seines Seelenheiles willen geschützt werden muß. Und diese neuen Theaterleute! Ich bitte Euch, verehrte Madame Kjellerup! Sie gebn vor, mit ihrem Tun die Moral der Zuschauer zu festigen, aber was tun sie wirklich? Einige Stücke werfen tatsächlich moralische Fragen auf, aber wie? Warum? Damit das Publikum darüber nachdenke und selbst entscheide, welche Haltung die richtige sei. Selbst entscheiden! Das kann nicht zum Guten führen. Das ist Aufruhr gegen unsere gute christliche Ordnung, gegen die Obrigkeit."

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