Buchtipp : Leonardo PADURA, Der Nebel von gestern. (Rezension)

Leonardo PADURA, Der Nebel von gestern.

El Conde/Cuba/Havanna/Krimi/

 Leonardo PADURA: Der Nebel von gestern.
Leonardo PADURA: Der Nebel von gestern.
(La neblina del ayer., 2005)
359 S., ISBN: 3-293-20484-8
Zürich: Unionsverlag, 2008
Bewertung
Bewertung: 3 Sterne

Rezension

Mario El Conde hat vor 13 Jahren den Polizeidienst quitiert und schlägt sich als Antiquar durchs Leben. Zufällig stößt er eines Tages auf eine Goldgrube, eine Bibliothek, in der seit 40 Jahren nichts mehr verändert wurde. Schon nach einer kurzen Durchsicht weiß er, daß er hier das Geschäft seines Lebens machen wird, selbst wenn er die wirklichen Raritäten nicht verkauft.
In einem Kochbuch findet er einen Zeitungsausschnitt aus den 50er Jahren, in dem die Bolerosängerin Violeta del Río ihren Rückzug von der Bühne ankündigt. Mario verfällt dem Bild der Frau und wenig später ihrer Stimme, die er auf der einzigen von ihr aufgenommenen Schallplatte hört. Er beschließt, ihrem Schicksal nachzugehen. Und damit beginnt ein Krimi, bei dem der aktuelle Mord (wie meistens) sein Motiv in der Vergangenheit hat.
Padura, der diese Zeit ja nicht selbst erlebt hat, schwärmt vom Havanna der 50er Jahre, vom pulsierenden Nachtleben. Sein verhaltener Vorwurf an die Revolution ist, daß sie der Jugend nicht nur alle Illusionen geraubt hat, die versprochene Zukunft niemals eingetreten ist, sie letztendlich Armut und Kriminalität nicht beseitigen konnte. Aber vor allem wirft er ihr vor, dieses Lebensgefühl, basierend auf der cubanischen Musik, zerstört zu haben, den Menschen damit die Lebenslust genommen und über Cuba einen grauen Schleier der Krisen und Entbehrungen gelegt zu haben. Allerdings geht er auf die negativen Aspekte der Zeit unter Batista kaum ein.
Fazit: die etwas langatmige Ausgangssituation braucht fast die Hälfte des Buches, bis sie auf Touren kommt. Und Mario Conde ist müde geworden, und wahrscheinlich wird er eines Tages seine Jugendfreundin Tamara heiraten.

Mario ging die Calle 23 hinunter und sah zwei Polizisten mit riesigen Schäferhunden an sich vorbeipatrouillieren. Er schaute sich um, und plötzlich bildete er sich ein, sich verirrt zu haben, ratlos, in welche Richtung er gehen sollte, um aus dem Labyrinth, zu dem seine Stadt geworden war, wieder herauszufinden. Da wurde ihm bewußt, dass auch er ein Gespenst aus der Vergangenheit war und einer vom baldigen Aussterben bedrohten Spezies angehörte. In dieser Nacht der Verirrungen sah er sich vor die Tatsache des allgemeinen Scheitern gestellt, das er selbst verkörperte, er und seine brutale Entwurzelung inmitten einer im Nebel der Erinnerungen versunkenen und einer anderen, sich auflösenden Welt. Schließlich und endlich, dachte El conde, ... im Grunde war mein ganzes Leben nichts anderes als eine fortgesetzte, aber fehlgeschlagene Manipulation der Wirklichkeit.

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