Buchtipp : Kristín Marja BALDURSDÓTTIR, Hinter fremden Türen. (Rezension)

Kristín Marja BALDURSDÓTTIR, Hinter fremden Türen.

Island/Roman/

 Kristín Marja BALDURSDÓTTIR: Hinter fremden Türen.
Kristín Marja BALDURSDÓTTIR: Hinter fremden Türen.
(Hús úr húsi., 1997)
317 S, ISBN: 978-3-596-19281-6
Frankfurt: Fischer TB-Verlag, 2004
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Eine Wirtschaftskrise hat Kolfinna arbeitslos gemacht - dabei hatte sie eine so hübsche Telefonstimme. Einen neuen Job findet sie nicht, denn ihre Qualifikation ist eher mäßig. Den Freund hat sie auch verlassen, und so muß sie wieder ins Haus ihrer Mutter ziehen, mit der sie sich aber nicht besonders versteht.
Ihre Freundin Mathilde bekommt ihr drittes Kind. Kolfinna soll sie inzwischen vertreten, als Putzfrau in drei Häusern der gehobenen Schicht.
Diese vier Häuser werden von ganz unterschiedlichen Menschen bewohnt. Da ist zunächst Listalín, eine alte Dame. Die erzählt Kolfinna, daß sie ein schönes Leben hatte, und Kolfinna will unbedingt wissen, was ein schönes Leben ist.
Die Opernsängerin Sigurdís macht Kolfinna Vorschläge zur Stilvebesserung und meint, daß sie sich ein Image zulegen sollte. Gelegentlich weint sie sich bei Kolfinna aus.
Das Haus des Rechtsanwaltes scheint aus einer italienischen Designerzeitschrift zu stammen, und es ist absolut sauber. Kolfinna fragt sich, was sie hier soll. Der Rechtsanwalt ist selten da, aber manchmal erschreckt er sie, wenn er lautlos hinter ihr auftaucht. Er rät ihr, zu sparen und einen Kapitalgrundstock anzulegen, mit dem sie sich dann vielleicht ein Haus oder ein eigenes Geschäft kaufen könnte.
Der vierte Hausbesitzer, der Forscher, ist das absolute Gegenteil des Rechtsanwaltes. Sein Haus ist eine einzige Müllhalde, überall türmen sich Kleidungsstücke, Zeitungen, Essensreste. Außerdem ist er äußerst unfreundlich zu Kolfinna, so daß sie eigentlich gleich wieder kündigen will. Aber Mathilde lässt das nicht zu, sie wird die Jobs nach der Geburt wieder benötigen. Später normalisiert sich das Verhältnis zum Forscher. Und der rät Kolfinna, zu lesen und sich weiterzubilden.
Denn Kolfinna hat eigentlich gar keine Vorstellung, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, was ihre Ziele sein könnten. Sie befragt ihre Mutter, ob sie als Kind irgendwelche Talente oder besondere Fähigkeiten gehabt hätte, aber ihrer Mutter fällt nichts ein. So versucht sie zwar, die Vorschläge ihrer Arbeitgeber irgendwie umzusetzen, hängt aber meistens doch nur vor dem Videorekorder herum. Bis sie dann ein schwerwiegendes Ereignis zunächst vollkommen aus der Bahn wirft. Aber es ihr doch ermöglicht, neue Perspektiven zu finden und ihr Leben völlig zu verändern.
Fazit: Kristín Marja Baldursdóttir ist hier die authentische Schilderung einer jungen Frau gelungen, die durch ihr Leben taumelt und nichts damit und mit sich anzufangen weiß. Und die doch schließlich in sich Fähigkeiten entdeckt und beschließt, diese zu nutzen. Auch die Charakterisierung der vier Arbeitgeber ist treffend und oft sehr hurmorvoll. Und am Ende erfährt Kolfinna, was ein schönes Leben ist.

Spät in der Nacht war sie nach Hause geschlichen, ein bisschen beschwipst und zutiefst niedergeschlagen, mit einem eigentümlich beklemmenden Gefühl in der Brust. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie darüber nachgedacht, was aus ihr werden sollte.
In der Stille hörte sie, wie das Bett ihrer Mutter knarrte. Plötzlich überfiel sie eine noch schlimmere Angst als die, die sie in der Nacht gequält hatte. Ihre Mutter. Was würde mit ihrer Mutter werden? Würde sie bis zum Ende an ihre ewig jammernde und nörgelnde Mutter gefesselt bleiben? Hier in diesem Haus? Sie beide?

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