Buchtipp : Elisabeth KLAR, Wasser atmen. (Rezension)

Elisabeth KLAR, Wasser atmen.

Antarktis/Roman/

 Elisabeth KLAR: Wasser atmen.
Elisabeth KLAR: Wasser atmen.
357 Seiten, ISBN: 978-3-7017-1679-1
St. Pölten-Salzburg: Residenz-Verlag, 2017
Bewertung
Bewertung: 3 Sterne

Rezension

Wo sind die Grenzen des eigenen Selbst?
Erika ist Professorin für Bioakustik und hört tierische Stimmen ab, vor allem im Meer. Besonders die "Konversation" der Buckelwale hat es ihr angetan. Sie hat einen einjährigen Forschungsauftrag in der Antarktis angenommen und gilt als durchaus erfolgreich. Aber das ist nur ihre äußere Hülle. Im Innenleben versucht sie, ihre psychische Existenz durch Tauchgänge, im Schwimmbad und Aikido zu finden. Ins Wasser taucht sie bis zur Frage, ob sie wieder auftauchen soll - oder im Wasser zerfließen.
Cécil, den Erika als Student in einer Statistikvorlesung kennengelernt hat und dessen Beziehung zu ihr verschwommen bleibt, versucht, sie in der Spur zu halten. Er glaubt, daß sie durch ihre äußeren Erfolge innere Stärke gewinnen kann. Er versucht, sie anzutreiben, hat sie zu ihrer Antarktis-Bewerbung gebracht - und sie mit Judith bekannt gemacht.
Judith, Studentin der Musikwissenschaft, erhofft von Erika Unterstützung für ihre Diplomarbeit. Auch sie interessiert sich für Walgesänge und erwartet von Erika, ihr Festigkeit und ihrer Arbeit Form zu geben. Aber sie wird immer wieder von Halluzinationen und schizophrenen Schüben überwältigt, denen sie schließlich erliegt. Sie glaubt, daß überall in ihrer Wohnung Wasser aus den Wänden tritt, der Boden verschlammt ist und die Welt verrostet.
Erikas Reise in die Antarktis findet erst im letzten Drittel des Buches statt. Das Leben in der Extremsituation - fremde Menschen auf engem Raum, kaum Privatsphäre, lebensfeindliche Umwelt, die absolute Unmöglichkeit, zu entkommen - wird Erika überfordern, wird ihre Fähigkeit, Inneres und Äußeres zu trennen, nicht stärken. Sich im Wasser auflösen, Wasser atmen, wird schließlich zum beherrschenden Topos, in dem sich das Selbst verliert.
Fazit: Auch in diesem Buch ist die Antarktis Hintergrund und Katalysator für den Versuch von Frauen, Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit zu finden. Leider überfrachtet Elisabeth KLAR den Leser (und vielleicht auch die Leserin) mit einer zu langen und zu wenig strukturierten Vorgeschichte. Man sucht vergeblich nach Linien, nach einem System, das sich öffnet und nicht verkapselt. Immer wieder stellt sich die Frage: was soll das? Wann endlich kommt die Erzählung zum Punkt? Aber das geschieht nicht, es bleibt bei lähmenden Wiederholungen von Bildern und Symbolen. Die Antarktis wird zur Requisite, in der sich das Selbst nicht findet.

Cecil hat ihr das Buch empfohlen, »das musst du lesen«, hat er gesagt, und sie hat trotzdem Folge geleistet. Man hat immer einen anderen, der einem erklärt, was man vergessen hat. Erika hat Cecil. Und man muss sich vorbereiten, auch wenn die schlimmste Reise der Welt über ein Jahrhundert her ist, sie hat in Wahrheit nichts mehr mit Erika zu tun. Neu-berger II bedeutet Motorschlitten, Schneeschmelze, Dusche, Sauna, Heizung, jedes Jahr werden die Vorräte an Lebensmitteln, Shampoo, Benzin, Klopapier mit dem Schiff gebracht, der FS Polarstern. Geborgtes Leben.

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