Buchtipp : Edward M. FORSTER, Zimmer mit Aussicht. (Rezension)

Edward M. FORSTER, Zimmer mit Aussicht.

Toskana/England/Florenz/Roman/

 Edward M. FORSTER: Zimmer mit Aussicht.
Edward M. FORSTER: Zimmer mit Aussicht. Eine Liebesgeschichte.
(A room with a view., 1908)
327 S., ISBN: 978-3-596-90577-5
Frankfurt: Fischer TB-Verlag, 2014
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Die Enge der Welt um 1900.
Lucy Honeychurch unternimmt mit ihrer Cousine Charlotte als Anstandsdame um 1900 eine Bildungsreise durch Italien, die sie auch nach Florenz führt. In der Pension, in der sie abgestiegen sind, wohnen auch zwei Engländer, Vater und Sohn Emerson. Sie passen durch ihr Verhalten und ihre Herkunft nicht in die enge Welt der oberen Mittelschicht Englands. George Emerson, der Sohn, und Lucy beobachten gemeinsam einen Mord auf der Piazza della Signoria und kommen einander näher, was Lucy sehr verunsichert. Bei einem Ausflug küsst George Lucy auf die Wange. Obwohl es außer Charlotte niemand gesehen hat, ist es doch ein Skandal. Lucy und Charlotte fliehen nach Rom.
Nach England zurückgekehrt gibt Lucy dem Werben von Cecil nach und wird ihn heiraten. Sie verdrängt George aus ihren Gedanken und Erinnerungen. Doch zufällig zieht er mit seinem Vater in ein nahegelegenes Haus. Bei einer weitere Begegnung küsst George Lucy nochmals und gesteht ihr seine Liebe. Lucy erkennt zwar, daß auch sie ihn liebt, will aber alles verdrängen und eine Reise nach Griechenland unternehmen.
Fazit: Es ist gar nicht einfach, die Codes und Verhaltensweisen vom Anfang des 20. Jahrhunderts zu entschlüsseln und zu verstehen. Denn es liegt hier kein historischer Roman vor, der aus der Gegenwart den Geist der Vergangenheit zu beschwören versucht - was natürlich nie authentisch gelingt. Edward Forster ist aber ein Autor seiner Zeit und kann den Geist dieses Zeitalters sehr wohl wirklich machen. Es ist eine sehr enge Welt voll starrer Konventionen, die er mit dezenter Ironie schildert. Aber ob er wirklich die Gedanken- und Gefühlswelt der Frauen seiner Zeit wiedergeben kann, bleibt für den Beobachter aus der Gegenwart offen.

Viele der neu Zugezogenen waren ziemlich beschränkt, was Lucy seit ihrer Rückkehr aus Italien besonders auffiel. Bisher hatte sie ihre Ideale fraglos hingenommen - ihre Freundlichkeit und Wohlhabenheit, ihre nicht zu Gefühlsüberschwang neigende Religion, ihre Abneigung gegen Papiertüten, Orangenschalen und zerbrochene Flaschen. Als eine in der Wolle gefärbte Liberale, lernte sie voller Entsetzen über die Vorortsgesellschaft sprechen. Das Leben bestand - soweit sie sich der Mühe unterzog, sich überhaupt eine Vorstellung davon zu machen - aus einem Kreis reicher, angenehmer Leute mit gleichen Interessen und gleichen Feinden. Innerhalb dieses Kreises dachte, heiratete und starb man. ... Doch in Italien, wo jeder, der will, sich an der Gleichheit erwärmen kann wie an der Sonne, kam ihr diese Lebensauffassung abhanden. Ihre Sinne breiteten die Flügel aus; sie fand, daß es niemand gäbe, den sie, wenn sie wollte, nicht gernhaben könnte, daß die gesellschaftlichen Schranken zwar unverrückbar, wohl aber nicht besonders hoch waren.

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