Buchtipp : Dacia MARAINI, Bagheria. (Rezension)

Dacia MARAINI, Bagheria.

Sizilien/Biografie/

 Dacia MARAINI: Bagheria.
Dacia MARAINI: Bagheria. Eine Kindheit auf Sizilien.
(Bagheria., 1993)
170 S, ISBN: 3-492-03664-3
München: Piper, 1994
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Die italienische Autorin erzählt von ihrer Jugend.
1947 kommt sie mit ihren Eltern un den beiden Schwestern aus einem japanischen Internierungslager zurück in das kriegszerstörte Sizilien und ihre Heimatstadt Bagheria. Die Familie ihrer Mutter gehört dem sizilianischen Adel an und bewohnt die Villa Valguarnera, in der der Familie drei winzige Zimmer im ehemaligen Hüherstall zugewiesen werden. Der Großvater stirbt bald, der chilenischen Großmutter, die ihr Leben lang von einer Karriere als Opernsängerin träumt, die man ihr unterbunden hat, sind sie nicht willkommen. Sie wirft der Mutter vor, nicht standesgemäß geheiratet und damit ihre adelige Herkunft verraten zu haben. Schließlich zieht die Familie in eine nahe gelegene Wohnung.
Von diesen ersten Jahren erzählt Dacia Maraini, aber auch von der Liebe zu ihrem Vater, der ihr unerreichbar blieb, von Freundschaft und von den ersten, noch kindlichen und indirekten sexuellen Erfahrungen. Sie lernt, daß bei einer Vergewaltigung immer die Frau schuld ist, denn hätte sie dem Mann nicht ein Angebot gemacht - und sei es nur, mit ihm alleine in einem Zimmer gewesen zu sein - wäre das nicht geschehen.
Maraini nennt Bagheria eine der Hochburgen der sizilianischen Mafia. Sie schildert die nachhaltigen Zerstörungen des architektonischen und kulturellen Erbes der Stadt durch die Bauspekulation. Straßen verschlingen die Parks, die Gärten der Villen werden immer mehr beschnitten, die Villen von gesichtslosen Wohnblöcken eingetwängt, wenn nicht überhaupt zerstört. Die bestehenden Schutz-Gesetze werden einfach mißachtet, und niemand wird dafür zur Rechenschaft gezogen. Eine einige Jahre später eingesetzte Untersuchungskommission bestätigt zwar die Illegalität der Bauten, aber es gibt keine Konsequenzen.
Als junge Frau besucht sie noch einmal die Villa Valguarnera, die inzwischen einer Tante gehört. Die Tante schätzt sie nicht besonders, erzählt ihr aber doch einiges aus der Familiengeschichte, die Dacia bisher weitgehend ignoriert hatte. Dort sieht sie auch noch einmal jenes Gemälde, das sie zu ihrem bekanntesten Roman, Die stumme Herzogin, inspirierte.
Fazit: In die Beschreibung ihrer Jugend in Bagheria verwebt die italienische Autorin Dacia Maraini nicht nur ihre Beobachtungen als Jugendliche, sondern auch gesellschaftspolitische Themen wie Vergewaltigung und die Stellung der Frau in Sizilien oder die Zerstörung des Ortes durch Bauspekulationen der Mafia. Obwohl es auch ein persönlicher Bericht über die Liebe zum Vater, die Familie, die Herkunft und die Gedankenwelt einer etwa 14-jährigen ist, nimmt sie die Welt außerhalb sehr präzise wahr.

Als endlich der Bericht der Kommission veröffentlicht wurde und die Sache auch in die Zeitungen kam, ging man nicht etwa daran, die Schuldigen zu bestrafen und den Schaden - im Rahmen des Möglichen - zu beheben; vielmehr wurde alle mit einer Indemnitätserklärung, einer Amnestie, gelöst, die Spekulanten nach einem kleinen Bußgeld Straffreiheit zusicherte.

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