Buchtipp : John Le CARRÉ, Eine Art Held. (Rezension)

John Le CARRÉ, Eine Art Held.

Schattenwelten/England/Spionageroman/

 John Le CARRÉ: Eine Art Held.
John Le CARRÉ: Eine Art Held.
George Smiley 6, Karla-Trilogie 2
(The honourable schoolboy., 1977)
603 S., ISBN: 978-3-548-06185-6
Frankfurt: Ullstein TB Verlag, 2019
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Als Hongkong noch britisch war …
Nach der Enttarnung des Maulwurfs im britischen Geheimdienst übernimmt George Smiley die Trümmer des Circus. Residenzen werden geschlossen und überall herrscht tiefes Mißtrauen. Und Karla, Chef des sowjetischen Gehimdienstes, scheint zu triumphieren.
Dann wird ein geheimnisvoller russischer Geldfluss zu einer Bank in Hongkong entdeckt. Verfügungsberechtigt ist der angesehene chinesische Unternehmer Drake Ko. Aber der Zweck dieses Geldflusses bleibt völlig unklar, denn es geschieht nichts damit. Smiley schickt den Außenagenten Jerry Westerby, der sich in die Toskana zurückgezogen hatte, nach Hongkong. Getarnt als Journalist soll er herausfinden, was hinter Ko und den Geld steckt.
Nie war Smiley mit so geringem Wissen und so vielen Erwartungen in den Kampf gezogen. Er fühlte sich verlockt und verfolgt. Doch wenn er müde wurde und den Schritt verhielt und über die Logik seines Vorhabens nachdachte, fand er sich kaum zurecht. Er blickte zurück und sah den Rachen des Scheiterns auf sich warten. Er spähte nach vorn, und sah durch die beschlagene Brille die Schemen großer Hoffnungen im Nebel tanzen. Er blinzelte um sich und wußte, daß es hier, wo er stand, nichts für ihn zu sehen gab. Noch schritt er ohne letzte Überzeugung vorwärts. Es führte zu nichts, die Schritte zu wiederholen, die ihn bis hierher geführt hatten - die russische Goldader, die Fußstapfen von Karlas Privatarmee, die Gründlichkeit von Haydons Bemühungen, jede Kenntnis von deren Vorhandensein zu tilgen. Jenseits der Grenzen solcher äußerlichen Gründe entdeckte Smiley in sich selbst das Vorhandensein eines dunkleren, unendlich geheimnisvolleren Motivs, eines Motivs, das seine ratio beharrlich verwarf. Er nannte es Karla. Und es stimmte, daß irgendwo in ihm wie eine uralte Sage die Glut eines Hasses auf jenen Mann brannte, der ausgezogen war, die Tempel seines innersten Glaubens zu zerstören, was immer von ihnen übriggeblieben sein mochte: den Circus, den er liebte, seine Freunde, sein Land, seine Auffassung von einem vernünftigen Gleichgewicht menschlicher Beziehungen. Es stimmte auch, daß die beiden Männer einander vor einem Lebensalter oder vor zweien in einem glutheißen indischen Gefängnis Auge in Auge gegenübersaßen, Smiley und Karla, ...
Jerry verfolgt Ko und seine Unternehmen in Saigon, Phnom Penh, Vientiane und Thailand. Drake Ko hat einen Bruder namens Nelson, von dem bisher angenommen wurde, er sei tot. Aber er lebt und ist ein hoher Funktionär und Geheimnisträger in Maos China. Und Drkae will seinen Bruder herausholen.
Die Spionagegeschichte bleibt weitgehend im Hintergrund, ebenso wie Smiley's Triumph über Karla, der nur eine Randhandlung ist. Im Mittelpunkt stehen die letzten Wochen der Amerikaner (der Vettern) in Laos, Kambodscha und Vietnam, in die Jerry verwickelt ist. Aber eigentlich niemand nimmt von der Ereignissen besondere Notiz, sie wirken wie der ferne Donner bevor das Gewitter wirklich kommt.
Fazit: Auch wenn nicht ganz klar ist, warum der Roman als Karla-Triologie 2 bezeichnet wird - Karla kommt nur sehr am Rande und vorwiegend als Foto in Smileys Büro vor -, ist er auf jeden Fall lesenswert. Lakonisch wird das Ende des amerikanische Versuchs, das Vordringen des Kommunismus im ehemaligen Indochina aufzuhalten, abgehandelt. Und es zeigt sich ein eindringliches Bild des Scheiterns. In Hongkong wird es bald ähnlich sein, auch wenn Smiley diesmal gewonnen hat.

Er zwang seine Gedanken in eine andere Richtung und versuchte, sich vorzustellen, was sie mit Nelson machen würden: staatenlos, heimatlos, ein Fisch, den man fressen oder wieder ins Meer zurückwerfen konnte, ganz wie's beliebte. Jerry hatte schon einige solcher Fische gesehen: er war dabeigewesen, als man sie fing; als sie einem Blitzverhör unterzogen wurden; er hatte schon mehr als einen wieder über die Grenze abgeschoben, die sie erst vor so kurzer Zeit überschritten hatten, damit sie schleunigst wieder in Umlauf gesetzt würden, wie der Sarratt-Jargon es so reizend ausdrückte - »schnell, bevor sie überhaupt merken, daß er weg gewesen war«. Und wenn sie ihn nicht zurückschickten ? Wenn sie ihn behielten, diesen stolzen Siegespreis, nach dem sie alle gierten ? Dann würde Nelson, nach den Jahren des Ausquetschens, nach zwei oder drei Jahren - er hatte gehört, manchmal dauerte es sogar fünf -, sich zur Schar der Ewigen Juden des Spionagegewerbes gesellen, versteckt werden und wieder in Bewegung gesetzt, aufs neue versteckt, und von keinem geliebt, nicht einmal von denen, an die er seinen Glauben verriet.

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