Buchtipp : Leonardo SCIASCIA, Der Tag der Eule. (Rezension)

Leonardo SCIASCIA, Der Tag der Eule.

Sizilien/Mafia/Krimi/

 Leonardo SCIASCIA: Der Tag der Eule.
Leonardo SCIASCIA: Der Tag der Eule. Ein sizilianischer Kriminalroman.
(Il giorno della civetta., 1961)
140 S., ISBN: 978-3-8031-2619-1
Berlin: Klaus Wagenbach, 2009
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Am Ende ist alles anders.
Der Vorsitzende einer kleinen Baugenossenschaft wird erschossen, als er in den Bus nach Palermo steigen will. Die Fahrgäste des fast voll besetzen Buses verschwinden, noch bevor die Carabinieri am Tatort erscheinen. Und diejenigen, die man ausforschen kann, haben nichts gesehen - so wie der Pastetenverkäufer, der Schaffner und der Busfahrer.
Zwei Tage später meldet die Frau des Okulierers Nicolosi, der nicht aus dem Dorf stammt, das Verschwinden ihres Gatten am Tag des Mordes. Hauptmann Bellodi, Kommandant der Carabinierikompanie und vom Festland, glaubt an einen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen. Außerdem erfährt er durch einen anonymen Brief, daß sich die Baugenossenschaft geweigert hat, Schutzgeld zu bezahlen.
In mühevoller kombinatorischer Kleinarbeit gelingt es Bellodi schließlich, den Täter und einen der Hintermänner dingfest zu machen und ein Geständnis zu erhalten. Aber durch die Macht der nicht existierenden Mafia wird am Ende alles anders sein.
Glauben Sie an die Existenz der Mafia?" "Hm..." "Ausgezeichnet. Wir zwei, wir Sizilianer, glauben nicht an ihre Existenz. Das müsste für Sie, der Sie anscheinend daran glauben, doch etwas bedeuten. Aber ich verstehe Sie. Sie sind kein Sizilianer, und die Vorurteile sterben so schnell nicht aus. Mit der Zeit werden Sie sich davon überzeugen, daß das alles nur aufgebauschte Geschichten sind.
Fazit: In dem eher kurzen Roman zeigt Leonardo Sciascia deutlich die Grenzen, an denen die Staatsmacht beim Kampf gegen die geleugnete Mafia zerschellt. So tief ist sie in das gesellschaftliche und politische System Siziliens integriert, daß die Politiker einfach ihre Existenz abstreiten. Damit läuft der Versuch des Staates, mit Kräften von außen gegen sie vorzugehen, ins Leere.
(auch in: Leonardo SCIASCIA, Das Gesetz des Schweigens. Zürich-Köln: Benzinger, 1985)

Aber der Hauptmann Bellodi, ein Emilianer aus Parma, Republikaner aus Familientradition und Uberzeugung, übte - und zwar in einer Polizeiformation - das, was man früher das Waffenhandwerk nannte, mit dem Glauben eines Mannes aus, der an einer Revolution teilgenommen und gesehen hat, wie sich aus dieser Revolution des Gesetz entwickelte. Und diesem Gesetz, das Freiheit und Gerechtigkeit verbürgte, dem Gesetz der Republik, diente er und verschaffte ihm Respekt. Und wenn er noch immer die Uniform trug, in die er einst durch Zufall geschlüpft war, und wenn er den Dienst noch nicht quittiert hatte, um sich dem Anwaltsberuf zu widmen, für den er eigentlich bestimmt war, dann lag das daran, daß es mit jedem Tag schwieriger wurde, dem Gesetz der Republik zu dienen und ihm Respekt zu verschaffen.

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