Buchtipp : Arnaldur INDRIÐASON, Frevelopfer. (Rezension)

Arnaldur INDRIÐASON, Frevelopfer.

Island/Krimi/

 Arnaldur INDRIÐASON: Frevelopfer.
Arnaldur INDRIÐASON: Frevelopfer. Island-Krimi.
Kommissar Erlendur 9
(Myrká., 2008)
380 S, ISBN: 978-3-404-16611-4
Köln: Lübbe, 2011
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Das ist der Parallelroman zu Abgründe, in dem Sigurdur Óli im Fall eines Todschlags ermittelt. Denn Kommissar Erlendur ist ohne Nachricht in den Ostfjorden, und so muß sich Kommissarin Elinborg allein mit diesem seltsamen Fall herumschlagen. Der Fall geht ihr sehr nahe, denn der Ermordete war ein Vergewaltiger, der seine Opfer mit einer Vergewaltigungsdroge willenlos gemacht hat. Und die Opfer können sich auch an nichts mehr erinnern. Ist hier ein Opfer möglicherweise zu früh aus der Betäubung erwacht und hat sich gewehrt oder Rache genommen? Oder war noch ein Dritter in der Wohnung, ein anderer Rächer?
Wie in den meisten Ländern, und leider auch im zivilisierten Europa, ist Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigung auch in Island für die männlichen Richter nur ein Bagatelldelikt. Der Täter kommt vielleicht für zwei Jahre ins Gefängnis, während die Tat das Leben und die Psyche der vergewaltigten Mädchen und Frauen nachhaltig beschädigt und ihr weiteres Leben beeinträchtigt. In Österreich gab es sogar unlängst einen Fall, in dem der Vergewaltiger lediglich zu Hausarrest mit Fußfessel verurteilt wurde.
Das spricht jeder Vorstellung von Recht und Gerechtigkeit Hohn. Wenn aber der Staat nicht mehr in der Lage oder gewillt ist, Gerechtigkeit herzustellen, wenn sich die Opfer und ihre Angehörigen nur noch verhöhnt fühlen, dann ist der Schritt zu Selbstjustiz nicht mehr weit - und für viele Menschen nachvollziehbar. Eine gesellschaftlich außerordentlich brisante Situation. Die norwegische Krimiautorin Anne Holt verhandelt in dem Roman Selig sind die Dürstenden dieses Spannungsfeld von Recht, Gerechtigkeit und Selbstjustiz sehr anschaulich, ebenfalls anhand einer Vergewaltigung. Und es ist nicht zu dulden, wie Richter und Polizisten, aber auch ein großer Teil der männlichen Bevölkerung, Vergewaltigung als Bagatelle abtut und dem Opfer die Schuld zuschiebt.
Fazit: Wie in vielen seiner Krimis liegt auch hier die Lösung in der Vergangenheit, ist späte Rache oder vielleicht einfach die Wiederherstellung dessen, was als Gerechtigkeit empfunden wird, das Motiv. Und Vergewaltigung ist einfach kein Kavaliersdelikt. Erlendurs Abwesenheit ist weniger spürbar als in Abgründe, denn im Gegensatz zu Sigurdur Óli kann Elinborg den Roman auch alleine tragen.

Lilja blickte aufs Meer. Akranes war in der Ferne zu sehen. Sie vertraute den Menschen. Sie hatte keine schlechten Erfahrungen gemacht, sie war gut erzogen.
"Komm doch rein", sagte Runólfur.
"In Ordnung", sagte sie.
Elínborg sah die Tür vor sich, die sich hinter ihnen schloss, und schlief schließlich mit einer einzigen Gewissheit ein - sie würde sich nie wieder öffnen.

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