Buchtipp : Petra OELKER, Die Schwestern vom Roten Haus. (Rezension)

Petra OELKER, Die Schwestern vom Roten Haus.

Hamburg/Historischer Krimi/

 Petra OELKER: Die Schwestern vom Roten Haus.
Petra OELKER: Die Schwestern vom Roten Haus. Ein historischer Kriminalroman.
Rosina 9
448 S. S., ISBN: 978-3-499-24611-1
Reinbeck: Rowohlt TB-Verlag, 2009
Bewertung
Bewertung: 4 Sterne

Rezension

Hamburg, Frühjahr 1773.
Sechs Mädchen, Waisen aus dem Waisenhaus (dem Roten Haus, weil es in der Abendsonne rot leuchtet), verschwestern sich, um gemeinsam jeder eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Durch Taschendiebstähle gelingt es ihnen, für jede ein Grundkapital zu schaffen, das ihnen einen Start ermöglichen soll. Ihr weiterer Lebensweg verläuft ganz unterschiedlich, sie verlieren einander teilweise aus den Augen, vermeiden jeden offensichtlichen Kontakt.
Aber dann werden zwei von ihnen ermordet. Weder der Weddemeister Wagner (interessanterweise ein Amt, das es zu diesem Zeitpunkt in Hamburg noch gar nicht gab) noch Rosina, die die erste Tote gefunden hat, können einen Zusammenhang entdecken. Rosina, inzwischen verheiratete Madame Vinstedt, ist zwar an der Geschichte interessiert, aber doch nicht mehr so voll dabei. Sie vermisst ihren Gatten, der in einer geheimnisvollen Mission in Venedig unterwegs ist - die beiden Handlungseinschübe mit der Beschreibung des Lebens in Venedig sind sehr bereichernd -, und die Becker'sche Komödiantentruppe, die ihr Ausscheiden gekränkt hat und die nichts von sich hören lassen. Und natürlich vermisst sie das Theater und ihre Freundin Anne Herrmanns, die ihren kranken Bruder in Jersey besucht.
Wie in jedem Roman dieser Serie hat Petra Oelker auch diesmal ein Hauptthema: das Schicksal der Waisenkinder in Hamburg. Diese leben, zu Hunderten zusammengedrängt, im Waisenhaus, das längst zu klein geworden ist. Dort erhalten sie einen Grundunterricht (Lesen, Schreiben, Rechnen) und werden zur Arbeit und Frömmigkeit erzogen. Damit beabsichtigt man, ihnen einen Grundstock für ein bescheidenes Leben geben zu können. Viele sind auch in sog. Koststellen, wo allerdings der Schulbesuch nicht gesichtert ist und sie oft nur ausgebeutet werden. Auch bei Rosina wohnt so ein Waisenkind, Tobias. Und Augusta, die Tante von Claes Herrmanns, ist eine bedeutende Spenderin.
Natürlich sind die Zustände im Waisenhaus schlimm, doch wenigstens haben die Kinder ein Dach über dem Kopf, werden gekleidet, ernährt und ausgebildet. Es ist der - vielleicht zu bescheidene - Versuch der Stadt Hamburg, sich des Problems der Waisen anzunehmen. Und auf jeden Fall besser als die Kinder einfach sich selbst und ihrem Schicksal zu überlassen.
Fazit: das ziemlich reduzierte Personal des Romans ermöglicht einen ausführlicheren Blick auf die Nebenrollen und die sozialen Verhältnisse und Gegensätze in dieser so reichen Stadt, die noch immer fortdauern. Manchmal eine Spur zu ruhig dahinfließend, aber unbedingt lesenswert!

Janne war stolz auf ihre Tochter und ganz besonders darauf, auf dieses Aufrechte. Ihr eigenes Leben war kein Honigschlecken, trotzdem war es alles in allem nicht so schlecht, wie es hätte werden können. Ein besseres hatte das Schicksal für sie eben nicht bereitgehalten, sosehr sie sich auch abgerackert hatte. Aber die beiden ihrer fünf Kinder, die ihre ersten Jahre überlebt hatten und zu gesunden jungen Menschen herangewachsen waren, würden es besser haben. Sie würden es schaffen, ganz sicher. Dafür hatte es sich alles gelohnt.

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