Fahne NorwegenNorwegen: Politik und Gesellschaft

Das Königreich Norwegen (Kongeriket Norge) ist eine konstitutionelle Monarchie mit dem König als Staatsoberhaupt. Als Symbolfigur für Land und Bevölkerung hat er vor allem repräsentative Aufgaben.

Poitisches System

Oberstes Organ der vollziehenden Gewalt ist formell der „König im Staatsrat”, d.h. der König, beraten durch die Mitglieder der Regierung, die aus dem Ministerpräsidenten/Ministerpräsidentin (Statsminister) und z.Zt. 17 Ministern (Statsråd), davon die Hälfte Frauen, besteht. Der König beruft die Regierung, der das Parlament (Storting) jedoch das Vertrauen entziehen kann. Sein Einspruchsrecht gegenüber Gesetzesbeschlüssen des Parlaments ist sehr begrenzt. Er ist Oberbefehlshaber der bewaffneten Streitkräfte und Oberhaupt der Staatskirche.

Staatsform: konstitutionelle Erbmonarchie (Verfassung von 1814); Staatsoberhaupt: König Harald V., *21. Februar 1937 (seit 17. Januar 1991); Regierungschef: Ministerpräsident Jonas Gahr Støre (Arbeiderpartiet, seit 2021); Parlament (Stortinget): Einkammer-Parlament, 169 Abgeordnete, Wahl alle 4 Jahre, Wahlrecht ab 18 Jahren; Parteien: Arbeiderpartiet/AP (Arbeiterpartei, sozialdemokratisch), Høyre/H (Rechte/Konservative), Fremskrittspartiet/FP (Fortschrittspartei, rechtspopulistisch), Sosialistisk Venstreparti (Sozialistische Linkspartei), Kristelig Folkeparti (Christliche Volkspartei), Senterpartiet/SP (Zentrumspartei, agrarisch-ökologisch), Venstre/V (Linke/Liberale), Miljøpartiet De Grønne (Umweltpartei Die Grünen, grün); Unabhängigkeit: 27.10.1905 - Austritt aus der Union mit Schweden

Königshaus

Norwegen, königliche Familie
Die königliche Familie, 2016
Kronprinzessin Mette-Marit, Kronprinz Haakon,
Königin Sonja, König Harald V.
Foto Jørgen Gomnæs / The Royal Court

Harald V., König von Norwegen, *21. Februar 1937; Sonja, Königin von Norwegen, *4. Juli 1937; Haakon, Kronprinz von Norwegen, *20. Juli 1973; Mette-Marit, Kronprinzessin von Norwegen, *19. August 1973; Ingrid Alexandra, Prinzessin von Norwegen, *21. Januar 2004; Sverre Magnus, Prinz von Norwegen, *3. Dezember 2005

Das norwegische Königshaus hat eine etwa 1000-jährige Geschichte. Es geht zurück auf den Reichsgründer Harald I. Halvdansson Hårfagre (Schönhaar, 880-931), der die Wikingerstämme zu einem Königreich vereinte. Von 1319 bis 1905 gab es keinen eigenständigen norwegischen Staat, ausländische Herrscher übernahmen die Regentschaft in Norwegen. Nach der Auflösung der Union mit Schweden wurde Prinz Carl von Dänemark aus dem Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (* 3. August 1872, Kopen­hagen; † 21. Septem­ber 1957, Oslo) zum König gewählt und nahm den Namen Haakon VII. an. Seit 1991 ist sein Enkel Harald V. (* 21. Februar 1937, Gut Skaugum, Asker) König von Norwegen.

Norwegen, 30. Thronjubiläum
30. Thronjubiläum von König Harald V. und Königin Sonja, Januar 2021
Foto Jørgen Gomnæs / The Royal Court

Flagge und Wappen

Flagge Norwegen

Die Flagge Norwegens zeigt ein dunkelblaues, zum Flaggenmast verschobenes sogenanntes Skandinavisches Kreuz mit weißer Kontur auf rotem Grund. Sie entstammt nur teilweise den Farben des Königshauses und ist eine Anlehnung an die dänische Flagge. Die heutige Flagge wurde von Fredrik Meltzer, Mitglied des norwegischen Parlaments, als „reine Trikolor“ entworfen und ist seit 1821 in Gebrauch.

Wappen Norwegen

Das Staatswappen Norwegens, der Norske Løve, ist eines der ältesten in Europa und war ursprünglich ein persönliches Wappen des Königs. Inspiriert wurde es wahrscheinlich vom Wappen Schottlands. Der goldene Löwe, seit 1217 das Sinnbild Norwegens, auf rotem Grund wurde von König Erik II. Magnusson 1280 mit einer Krone und einer Axt, dem Emblem von König Olaf, ausgestattet. Die aktuelle Version des Staatswappens wurde am 16. Dezember 1992 vom König zugelassen.

Parlament

Die 169 Abgeordneten des Storting (Parlament) werden in direkter und geheimer Verhältniswahl für 4 Jahre gewählt. Eine vorzeitige Auflösung des Parlaments ist nicht vorgesehen. Dadurch hat sich eine Tradition konsensorientierter, pragmatischer parlamentarischer Zusammenarbeit (auch mit wechselnden Mehrheiten) entwickelt. Die Folge ist eine Machtverschiebung zugunsten des Parlaments.

Wahlen

Bei den Parlamentswahlen 2021 wird Ministerpräsidentin Erna Solberg von der konservativen Høyre-Partei abgewählt. Wahlsieger ist die Det norske arbeiderparti (DNA)/Arbeiterpartei (Ap) unter Jonas Gahr Støre (61) mit 26,3% (-1,1 im Vergleich zur Wahl 2017). Die Høyre-Partei erziehlte 20,4% (-4,6) Details. Wie erwartet bildet Støre eine Minderheitsregierung der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet mit der Zentrumspartei Senterpartiet.

Bei den Parlamentswahlen 2017 verloren die bürgerlichen Parteien zwar Sitze im Parlament, behielten jedoch die Mehrheit der Mandate. Erna Solberg bildete eine Minderheitsregierung. Seit Januar 2019 hat ihre Regierung nun die Mehrheit im Storting.
Stärkste Partei blieb die sozialdemokratische Arbeiterpartei, allerdings verlor sie 3,5% der Stimmen (Details).

Bei den Parlamentswahlen 2013 wurde die bisherige rot-rot-grüne Regierungskoalition abgewählt, Staatsminister Jens Stoltenberg kündigte seinen Rücktritt für Oktober an. Wahlsiegerin ist Erna Solberg, Vorsitzende der konservativen Høyre (26,8%/48 Sitze). Zusammen mit der rechtspopulistischen Fortschrittspartei (16,3%/29 Sitze), der Christlichen Volkspartei (5,6%/10 Sitze) und der rechtsliberalen Venstre (5,3%/9 Sitze) erreichte das bürgerliche Lager 54,0% oder 96 der 169 Sitze im Storting. Die bisherige Koalittion aus der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (30,9%/55 Sitze), der Sozialistischen Linkspartei (4,1%/7 Sitze) und der Zentrumspartei (5,5%/10 Sitze) erhielt 40,5% oder 72 Sitze. Die Grünen erhielten 2,8% und 1 Sitz.

Parlamentswahlen 2013

Gewerkschaften

Die etwa 30 Einzelgewerkschaften sind nach Berufsgruppen organisiert und im Gewerkschafts-Dachverband LO zusammengeschlossen. Die 600.000 Mitglieder stellen rund 25% der Beschäftigten. Sie gehören zu den streikfreudigsten der Welt und stehen mit der Zahl der Streiktage an vierter Stelle. Dennoch werden die Tarifkonflikte meistens in Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband NAF gelöst.

Verwaltungsgliederung

Das Land ist in 19 Provinzen (fylker), zusammengefasst in 5 statistischen Regionen (landsdel), mit 431 Kommunen eingeteilt. Die Kommunen sind Selbstverwaltungskörperschaften mit eigenen Kompetenzen u.a. im Schul-, Gesundheits- und Sozialwesen. Die Provinzen sind sowohl Instrumente dezentraler staatlicher Verwaltung mit staatlich eingesetzten Gouverneuren (Fylkesmann), als auch Selbstverwaltungskörperschaften mit Kompetenzen insbesondere im Bereich der Sekundarerziehung. Kommunen und Fylke haben direkt gewählte Parlamente (Kommunalwahlen jeweils um 2 Jahre versetzt zu Parlamentswahlen) und verfügen neben staatlichen Transferzahlungen auch über eigene Steuereinnahmen.

Bildung

In Norwegen gilt gleiches Recht auf Bildung für alle, die Schulausbildung ist kostenlos. Die Schulpflicht beträgt zehn Jahre. Die Kinder gehen zuerst in die Grundschule, dann in die untere Sekundarstufe, die sie mit einem Abschluss ähnlich der (deutschen) Mittleren Reife verlassen. Die anschließende obere Sekundarstufe ist freiwillig und schließt nach drei Jahren mit dem Abitur (Matura) ab. Diese Abschlüsse finden Mitte Mai statt und werden entsprechend ausgelassen gefeiert.
Die Universitäten sind überwiegend staatlich und befinden sich in Oslo, Bergen, Trondheim und Tromsø, eine Spezialuniversität für Arktische Biologie und Arktische Geophysik auf Spitzbergen. Außerdem gibt es eine Fischerei-, eine Handels- und eine Musikhochschule.

Norwegische Nobelpreisträger(innen)

Seit seiner Unabhängigkeit brachte Norwegen 11 Nobelpreisträger(innen) hervor:

      Chemie (1)
    • 1969 — Odd Hassel (1897–1981), gemeinsam mit Derek H. R. Barton (1918–1998, Vereinigtes Königreich), „für ihre Arbeiten in der Entwicklung des Konformationsbegriffes und dessen Anwendung in der Chemie“
      Physiologie oder Medizin (2)
    • 2014 — May-Britt Moser (*1963)/Edvard Moser (*1962), gemeinsam mit John O’Keefe (*1939, Vereinigte Staaten/Vereinigtes Königreich), „für Entdeckungen von Zellen, die ein Positionierungssystem im Gehirn bilden“
      Literatur (3)
    • 1903 — Bjørnstjerne Bjørnson (1832–1910), „als ein Beweis der Anerkennung für seine edle, großartige und vielseitige Wirksamkeit als Dichter, die immer durch einmalige Frische der Eingebung und durch eine seltene Seelenreinheit ausgezeichnet war“
    • 1920 — Knut Hamsun (1859–1952), „für sein monumentales Werk Segen der Erde
    • 1928 — Sigrid Undset (1882–1949, geboren in Kalundborg, Dänemark), „vornehmlich für ihre mächtigen Schilderungen aus dem mittelalterlichen Leben des (skandinavischen) Nordens“
      Frieden (2)
    • 1921 — Christian Lous Lange (1869–1938), Generalsekretär der Interparlamentarischen Union, gemeinsam mit Hjalmar Branting (1860–1925), Schwedischer Delegierter im Rat des Völkerbundes
    • 1922 — Fridtjof Nansen (1861–1930), Erfinder des Nansen-Passes für Flüchtlinge
      Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften (3)
    • 1969 — Ragnar A. K. Frisch (1895–1973), „Für Entwicklung und Anwendung dynamischer Modelle zur Analyse von Wirtschaftsprozessen“, gemeinsam mit Jan Tinbergen (1903–1994, Niederlande)
    • 1989 — Trygve Haavelmo (1911–1999), „Für seine Formulierung der wahrscheinlichkeitstheoretischen Grundlagen der Ökonometrie“
    • 2004 — Finn E. Kydland (*1943), „Für ihre Beiträge zur dynamischen Makroökonomik: Die Zeitkonsistenz von Wirtschaftspolitik und die treibende Kraft von Konjunkturzyklen“

Außerdem erhielten zwei amerikanische, in Norwegen geborene Staatsbürger einen Nobelpreis:

  • 1968 (Chemie) — Lars Onsager (1903–1976, Oslo)
  • 1973 (Physik) — Ivar Giaever (*1929, Bergen)

Gesellschaft

Norwegen ist geprägt von den deutlichen soziokulturellen Unterschieden der verschiedenen Landesteile. Die Hauptbruchlinien verlaufen zwischen dem stärker kontinentaleuropäisch orientierten Südosten mit den größten städtischen Ballungszentren, modernen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben; dem immer noch stark vom Pietismus geprägten, eher atlantisch orientierten Südwesten und Westen sowie dem Norden mit seiner extrem dünnen Besiedlung, seiner Grenze zu Russland und besonders schwierigen Lebensbedingungen, in dem die Fischerei nach wie vor eine sehr große Rolle spielt.

Die sog. „Distriktspolitik”, die die Aufrechterhaltung der Besiedlung auch entlegener Landesteile und die Wahrung annähernd gleicher Lebensverhältnisse zum Ziel hat, nimmt einen hohen Stellenwert ein. Trotz sehr hoher Kosten überlagert sie fast alle Bereiche der norwegischen Politik. Begünstigt wird sie durch das Wahlrecht, das die bevölkerungsarmen Gebiete zum Teil erheblich bevorzugt.

Das norwegische Nationalbewusstsein ist als Folge der späten Nationalstaatsgründung im Jahr 1905 sehr ausgeprägt. Der Begriff der Union, der Jahrhunderte lang für die Oberherrschaft Dänemarks und Schwedens stand, ist auch heute noch belastet.

Zunehmend ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem norwegischen Wohlfahrtsstaatsmodell und der egalitären Prägung der Gesellschaft einerseits und den Auswirkungen der Offshore-Wirtschaft und der Globalisierung andererseits: Eine stark egalitär ausgerichtete öffentliche Daseinsfürsorge war über Jahrzehnte Kern des norwegischen Gesellschaftsmodells. Dieses Modell gerät unter den Anpassungsdruck der Globalisierung, die die norwegische Volkswirtschaft zu größerer Effizienz zwingt. Hinzu kommt, dass die fortschreitende Urbanisierung und der steile ökonomische Aufschwung, der Norwegen seit den 1970er Jahren zu einer der reichsten europäischen Volkswirtschaften gemacht hat, auch das soziale Gefüge der Gesellschaft und deren Wertehierarchien nicht unberührt lassen.

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